Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
füllte beinahe den gesamten Türrahmen aus, seine beeindruckende Statur umrahmt von einem schmalen Streifen Sonnenlicht, das sich an ihm vorbei in den Raum stahl. Lange, schwere Schritte trugen ihn zum Tresen, und Meredith’ Herz trommelte bei jedem einzelnen schmerzhaft gegen ihre Rippen.
»Wissen Sie, Myles«, hob er an, während er einen Ellbogen auf die Theke stützte, »ich habe die Erfahrung gemacht, dass Männer, die dauernd mit ihren Waffen herumprahlen, damit zu kompensieren suchen«, er musterte Gideon mit einem herablassenden Blick, »dass sie andere Defizite haben.« Er drehte sich zu Meredith. »Einen schönen guten Morgen, Mrs. Maddox.«
»Ja«, erwiderte sie entrückt.
Ja. Es war ein sehr schöner Morgen, jetzt jedenfalls.
Rhys sah hinreißend aus. Frisch gewaschen, glatt rasiert – ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle mit Überrock, Krawatte, Weste, Hose, blank geputzten Stiefeln. Wie hatte er das bewerkstelligt, während er doch im Moor kampierte? Sie hatte Visionen – reizvolle Visionen –, wie er im Strom badete und sich in der spiegelnden Oberfläche des Sees rasierte. Aber weswegen hatte er sich so herausgeputzt?
Sie zerbrach sich den Kopf, ohne doch auf des Rätsels Lösung zu kommen. Sie ahnte dunkel oder hoffte doch, dass er sich für sie in Schale geworfen hatte. Überdies war er der erhebendste Anblick, von dem sie je zu träumen gewagt hätte. Er duftete nach Seife, wildem Thymian und frischer männlicher Haut. Sie starrte wie gebannt auf den steif gestärkten, schneeweißen Leinenkragen, der seinen Hals umschloss. Es juckte ihr in den Fingern, den Krawattenknoten zu lösen, die kleinen Kragenknöpfe zu öffnen, ihre Hand in sein Hemd gleiten zu lassen und alles darunter in Besitz zu nehmen. Er war wie ein großes, kunstfertig verpacktes Geschenk, das sie, getrieben von einer heimlichen Sehnsucht, mit dem allergrößten Vergnügen aufgerissen hätte.
Sie lachte im Stillen über das Ironische an der Vorstellung. Er hatte so viel Sorgfalt auf die Wahl seiner Garderobe verwendet, mit dem Ergebnis, dass sie ihn auf der Stelle splitternackt ausziehen wollte.
Seine Finger, tief in ihr …
» Bist du für die Kirche bereit?«, fragte er.
Seine Frage riss sie aus ihren Tagträumen. »K…kirche? Hast du eben Kirche gesagt?« Oh nein. Sie war zwar zu allem Erdenklichen bereit, aber nicht für den Kirchgang.
»Es ist doch der erste Sonntag im Monat, nicht wahr?«
Sie nickte stumm. Also das war der Grund, weshalb er so erlesen gekleidet war? Für die Kirche?
Wie zur Bestätigung begann die Kirchenglocke zu läuten.
»Für den Fall, dass du fertig bist«, fuhr er fort, »dachte ich, könntest du mich begleiten.«
Meredith zog mit einem ungehaltenen Zischen den Atem ein.
Ein schiefes, durchtriebenes Grinsen fand den Weg auf Rhys’ Gesicht.
Oh, er war hinterlistig wie der leibhaftige Teufel. Er war gekleidet wie ein Verführer, und dann kam er ihr mit dem Kirchgang. Dieser gemeinsame Gang würde sie in den Augen der Dorfbewohner offiziell zu einem Paar machen. Paare, die einander versprochen waren, legten für gewöhnlich den Weg zur Kirche gemeinsam zurück. Selbiges war gleichbedeutend mit der Besiegelung eines Verlöbnisses.
»Du findest die Kirche auch ohne meine Begleitung«, protestierte sie. »Du kannst sie von der Eingangstür aus sehen. Es sind lediglich ein paar Schritte über die Straße. Du kannst sie gar nicht verfehlen.«
Gideon schaltete sich ein. »Sie haben die Lady gehört. Sie geht nirgendwo mit Ihnen hin. Wieso verschwinden Sie nicht endlich aus unserem Dorf?«
Perfekt. Genau das, was sie brauchte, ein Wettstreit zwischen Rhys und Gideon, getreu dem Motto: Wer pinkelt am weitesten. »Ich glaube nicht, dass ich heute Morgen hingehen werde. Ich …« Sie brachte eine Hand an ihre Schläfe. »Ich habe leichtes Kopfweh.«
Rhys machte sich nicht die Mühe zu antworten. Er umrundete bedacht den Tresen und steuerte direkt auf sie zu. Meredith stützte ihre Hände auf das polierte Holz, als er ein wenig näher, als es schicklich gewesen wäre, hinter sie trat. Das Schweigen zog sich hin, unterdes beschleunigte sich ihr Pulsschlag auf das Doppelte. Was hatte er bloß vor?
Sie war sich anfangs nicht einmal sicher, ob sie es fühlte. Die Berührung war leiser als ein Flüstern, sanfter als ein Hauch. Lediglich eine magische Ahnung seiner Finger, die ihren unteren linken Rippenbogen streichelten. Das Gefühl verstärkte sich, als seine Hand über Taille und Hüfte
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