Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
eine Dirne, ein Schmuggler und eine Witwe auf dem gemeinsamen Weg zur Sonntagsandacht. Es mutete wie der Auftakt zu einem bizarren, blasphemischen Scherz an, der nach einigen Krügen Cider noch launiger klingen würde.
Meredith hatte jedenfalls Mühe, ein trunkenes Giggeln zu unterdrücken, als sie über die Schwelle des Gotteshauses traten. Sehr zu ihrem Erstaunen öffnete sich der Boden nicht, um sie mit einem kräftigen Sog allesamt zu verschlingen. Wie es in Buckleigh-in-the-Moor Sitte war, schon lange vor Meredith’ Geburt, saßen die Männer auf einer Seite des Kirchenschiffs, die Frauen auf der anderen. Sie nahm sich Coras an, löste sie von Rhys’ Arm und schob sie in eine der engen Holzbänke. Auf der anderen Seite des Mittelgangs saßen ihr Vater und Darryl in einer der ersten Reihen. Ihr Vater fing ihren Blick auf und bedachte sie mit einem wohlwollenden Nicken.
Als Rhys am Ende selbiger Bank seinen Platz einnahm, sorgte sich Meredith für einen kurzen Moment, dass dieser Baum von einem Mann wie ein Katapult wirken könnte, das Vater und Darryl in die Luft schleudern würde.
Das war zwar nicht der Fall, gleichwohl knackte das Holzgestühl für Bruchteile von Sekunden bedenklich.
Gideon schloss sich ihnen nicht an. Er setzte sich in die Bank dahinter und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein verdrossener Gesichtsausdruck harmonierte mit seiner respektlosen Haltung.
Ein seltsames Gefühl bemächtigte sich ihrer, als Meredith über ihre kleine Gruppe spähte. Ungeachtet ihrer Differenzen und Ambivalenzen untereinander, mochte sie diese vier Männer, jeden auf seine Weise. Es gefiel ihr, sie alle hier versammelt zu wissen.
Mit ausladendem Winken lenkte Darryl ihre Aufmerksamkeit auf ihn. Seine Augen groß wie Unterteller, deutete er auf Cora. »Wer ist das?«, formten seine Lippen.
»Cora«, gab sie leise gedämpft zurück. »Mein neues Dienstmädchen.«
Der Junge starrte mit aufgerissenem Mund zu dem Mädchen, während sich auf seiner Miene Regungen abzeichneten, die in einem Gotteshaus gänzlich fehl am Platz waren.
Darryl war indes nicht der Einzige, dessen Augen sich auf Cora hefteten. Auf die Gesichter sämtlicher Männer legte sich ein Ausdruck hingerissener Bewunderung. In den Blicken der Frauen brannte der Neid. Kirchen- und Tavernengang würden vermutlich erheblich mehr Zulauf erfahren, solange Miss Dunn in ihrem Gasthof weilte, darauf wäre Meredith jede Wette eingegangen.
Als der Geistliche die Kanzel betrat, fiel ihr auf, dass er und Rhys sich mit einem kurzen Nicken begrüßten, so als würden sie einander längst kennen. Vielleicht hatte Rhys es als seine Pflicht betrachtet, bei dem Gottesmann vorstellig zu werden. Das wäre durchaus sinnvoll gewesen, falls er den festen Entschluss gefasst hatte, die Rolle des örtlichen Lords auszufüllen.
Vielleicht war es ihm tatsächlich ernst damit, im Dorf Fuß zu fassen.
Sie hatte Gideons Worte noch im Ohr. Er gehört zu der anderen Kategorie, Merry. Zu denen, die nie sesshaft werden.
Trotz aller morgendlichen Aufregung und Verwirrung wurde ihr gleich nach Beginn der Predigt wieder klar, weshalb sie so selten zur Kirche ging, es war der gleiche Grund, warum sie die Zeitungen im Stehen las. Da sie tagein, tagaus kräftezehrende Arbeit leistete, brauchte sie sich nur ein paar Minuten hinzusetzen, und schon wertete ihr Körper dies als Einladung zu einem Nickerchen. Während der ersten Lesung, irgendwo zwischen »So bezeuget« und »Also sprach« war es, als ob ihr Kinn mit einem Mal von einer Bleischicht überzogen wäre. Ihre Nackenmuskulatur weigerte sich schlicht, ihren Kopf zu tragen.
»Meredith Maddox.«
Sie war mit einem Schlag hellwach. Hatte sie eben ihren eigenen Namen vernommen? Dieser Geistliche hatte es sich doch gewiss nicht zur Angewohnheit gemacht, von der Kanzel aus schlafende Sünder zu wecken, oder?
»Und Rhys St. Maur«, fuhr der Kurat fort, »beide aus Buckleigh-in-the-Moor stammend. Wenn einer aus unserer Kirchengemeinde um einen Grund oder auch nur ein Hindernis weiß, weswegen diese beiden Menschen nicht den heiligen Bund der Ehe schließen sollten, dann nenne er ihn jetzt. Dies ist die erste Lesung.«
11
D urch die Gemeinde ging ein Ruck. Keiner döste mehr heimlich vor sich hin. Meredith war noch nie wacher gewesen.
Das Aufgebot. Er hatte den Geistlichen gebeten, das Aufgebot zu verlesen, damit verkündete er vor dem ganzen Dorf, dass sie den Wunsch hegten, den Bund der Ehe zu schließen. Im Beisein ihres
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