Zwei Toechter auf Pump
englisch-langweilig stilisierte Milieu dazu veranlaßt werden sollen, ihre Früchtchen hier veredeln zu lassen.
Schritte im Gang. Und dann kommt es, das Früchtchen. Es hat ein blaues Auge, was mich sehr befriedigt und mir bestätigt, daß der Abschied vom Gorilla nicht ganz reibungslos verlaufen ist. Das Früchtchen versucht trotz dieser Gesichtszier seine Haltung zu bewahren: »Es gibt doch immer wieder Überraschungen in der Verwandtschaft! Sind Sie der gute Onkel oder der böse?«
»Jedenfalls als Onkel viel besser, als Sie verdienen.«
»Ich muß doch sehr bitten! Ich...«
»Jetzt setz dich hin. Junge, und halt die Klappe. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
»Aber...«
»Die Polizei ist hinter euch her. Der Mühlner hat alles ’rausgekriegt.«
Da sackt er zusammen, mit einem Ruck, als ob ihm die Sehnen mit einem Hieb durchschnitten wären, und ist nur noch ein ganz kleiner Junge mit entsetzten Augen und hängender Unterlippe.
»Reiß dich zusammen«, sage ich. »Vor allen Dingen muß uns dran liegen, die Mädels ‘rauszuhalten. Das ist für uns beide Ehrensache. Klar?«
Er bekommt einen Teil seiner Haltung zurück und nickt.
»Na schön. Der Gorilla ist offenbar getürmt. Über kurz oder lang wird man ihn aber fassen. Die Pistole ist verschwunden. Er hat sie jedenfalls nicht mehr. Die Sache mit dem Armband werde ich versuchen in Ordnung zu bringen. Warst du dabei?«
»Dabei? Wobei?«
Ich mustere ihn genau: Die Verblüffung scheint echt zu sein. »Dabei, als er das Armband vom Juwelier Schimmelpfennig in Biederstein stahl.«
Er schließt die Augen und wankt in seinem Stuhl. Seine Lippen sind fast weiß. Dann reißt er sich wieder zusammen: »Er hat mir gesagt, es wäre aus der Hinterlassenschaft seiner Mutter. Seine kleine Schwester hätte es ihm geschickt, heimlich. Dieselbe, die ihm auch das Geld geschickt hat, damit er mir das zurückzahlen konnte, was ich von mir für ihn ausgelegt hatte. Ist... ist das vielleicht auch nicht wahr?«
»Nein. Das Geld hat er gestohlen. Das meiste auf dem Ball im >Königsbräu<. Wann hat er dir das Armband gegeben?«
»Am Freitag, genau vor einer Woche.«
»Hm. In der Zeitung habe ich noch nichts davon gelesen. Aber das beweist nichts. Auf jeden Fall werde ich es dem Schimmelpfennig zurückgeben, ich bin ja Kunde da. Was ich ihm dazu sage, weiß ich allerdings noch nicht.«
Er sieht ganz verfallen aus, aber in dem bißchen, das von ihm übrig ist, lebt noch ein Rest von Trotz: »Warum machen Sie das für mich?«
»Ich mache es gar nicht für dich, sondern für die Mädels, die mir anvertraut sind, und — vielleicht — auch ‘n bißchen für dich. Weil ich auch mal so ‘n Hanswurst war wie du.«
Plötzlich ist er wieder oben, wie ein Korken: »Wieso ist man ein Hanswurst, wenn man...«
Ich lege ihm die Hand auf den Arm: »Jetzt hör mal gut zu! Diese Touren, die du mir da erzählen willst, kenne ich. Ich weiß auch genau, warum du dich mit dem Kerl eingelassen hast. Du hattest Angst vor ihm. Aber noch größer war deine Angst, dich zu blamieren, und da hast du die Angst einfach überkompensiert und in gönnerhaftes Heldentum transponiert. Das ist aber kein echtes Heldentum. Echtes Heldentum gibt es! Zum Beispiel im Krieg, wenn man seinen verwundeten Kameraden rettet und dabei die eigene Haut aufs Spiel setzt. Und dann gibt’s ein noch viel größeres Heldentum, das allerhöchste, und das ist, mit dem Alltag fertigzuwerden, anständig, verstehst du? Ich habe Männer gekannt, die als einzelne ein ganzes Maschinengewehrnest gestürmt oder zwölf feindliche Flugzeuge abgeschossen haben und dann bei dieser höchsten Probe der Tapferkeit glatt versagten! Das ist eine Tapferkeit, weißt du, für die gibt’s keine Orden, und bei der gibt’s gar nichts Dramatisches zu holen. Dieses Heldentum ist überall rund um uns herum, in jeder Mutter, die ihre Kinder anständig durchbringt, in jedem Mann, der bis zum letzten Schnaufer für seine Familie arbeitet — vielleicht wirst du auch mal so ‘n Held, so ein wirklicher. Aber vorläufig bist du eben nichts weiter als ein Hanswurst, der im Begriff steht, seiner Familie furchtbaren Kummer zu machen. Womit wir bei den geklauten Brieftaschen wären:
Die Polizei wird dich natürlich für mitschuldig daran halten. Ganz abgesehen davon, daß du einen entflohenen Sträfling bewußt unterstützt hast. Wie ich das geradebiege, weiß ich nicht. Ich weiß ja gar nicht mal, ob das mit dem Armband klappt. Aber dabei habe ich
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