Zwei Toechter und drei Hunde
betrachtet sieht das alles ganz anders aus. Ein Fisch frißt einen anderen Fisch. Die ganze Materie besteht nur aus Atomschwärmen. Vielleicht gibt’s überhaupt keine Materie, sondern nur Energiefelder. Also zieht ein Energiefeld das andere an sich. Oder ein Atomschwarm nimmt den anderen in sich auf. Was ist dabei? Wenn Sie Wasser in ein Glas gießen, ist es genau dasselbe.«
»Aber Sie vergessen«, sagt Margot, »daß die Tiere Seelen haben, genau wie wir! Und daß sie Schmerz empfinden und Todesangst! Also, ich muß sagen, ich möchte am liebsten kein Fleisch mehr essen. Ich war’ schon längst Vegetarier geworden, wenn ich das Fleisch nicht brauchte. Aber offenbar brauchen wir es doch in unserem Klima, nicht wahr?«
»Natürlich brauchen wir es«, sagt Buddy. »Und auch das Vegetariertum würde dir nichts nutzen. Ich hab’ neulich in einer Fotozeitschrift Aufnahmen gesehen, Großaufnahmen von Blättern, da wurde gezeigt, daß diese Blätter mit Tausenden von Organen besetzt sind, die genau wie unsere Augen sehen! Wenn du also die Hand ausstreckst, um eine Blume abzupflücken, sieht sie deine Hand tausendfach auf sich zukommen!«
»Hör auf!« schreit Susanne. »Ich kann’s nicht mit anhören!« Und sie starrt auf den Strauß, der auf dem Meßgewänderschrank steht.
»Also?« fragt Enrico und blickt sich triumphierend um. »Was bleibt uns? Wir müssen verhungern oder anfangen, wissenschaftlich zu denken. Ich würde vorschlagen, wir tun das letztere, denn das ist doch offenbar das, was das Schicksal von uns will — wozu es uns erziehen will. Und die ganzen sentimentalen Bedenken sollten wir uns abgewöhnen.«
»Warum sagst du denn gar nichts?« fragt Addi mich.
»Hm... ich überlege die ganze Zeit. Ich glaube, unser Abscheu vor allem Töten sind Hinweise, Enrico. Das, worüber wir schon neulich bei Margot sprachen.«
»Du meinst die Doppelgeschlechtlichkeit und so? Gut, das sind deutliche körperliche Hinweise, ich hab’s ja auch nicht bestritten. Aber in diesem Fall — wo sind da die Hinweise?«
»Nun, ich meine, sie bestehen darin, daß wir diese Dinge als unnatürlich empfinden! Und daß wir uns nicht damit abfinden können! Wir können uns nicht mit dem Tod abfinden, sondern höchstens einen faulen Zwangskompromiß mit etwas Unbegreiflichem schließen. Wir können uns mit dem Altem nicht abfinden, besonders die Frauen nicht, die darin noch den viel ungebrocheneren Instinkt haben, du kannst es auch Hellsichtigkeit nennen. Und wir können uns nicht damit abfinden, daß es überall, im kleinsten Dorf, Schlachthäuser gibt, in denen man Tiere umbringt und das Blut fließt und Todesangst in jeder Ecke sitzt. Wir schließen die Augen davor, weil’s eben angeblich nicht anders geht. Aber uns damit abfinden, es als selbstverständlich und richtig und gar nicht anders möglich betrachten — das können wir trotzdem nicht! Das kannst du auch nicht, wenn du ehrlich bist.«
»Na gut, nehmen wir mal an, es wäre so. Was beweist das?«
»Es beweist, daß wir irgendwann mal einen todlosen Zustand erlebt haben. Eine Welt, in der nicht einer vom anderen, sondern direkt aus sich heraus oder aus astralen Energieströmen oder aus sonst irgendwas lebte.«
»Mit einem Wort, das Paradies?«
»Mit einem Wort, das Paradies. Ja. Und ich glaube, daß wir nach dem großen Gesetz der Entwicklungsspirale eines Tages dorthin zurückkehren werden. Und daß Gott das will. Und daß er uns deshalb dauernd stößt und an unserem Gewissen rüttelt, uns allmählich immer feinfühliger macht, immer empfindlicher für dieses Fressen aller von allen.«
»Und dann?« sagt Buddy. »Dann lassen wir so ‘n paar Neutronen- oder Wasserstoffbömbchen los, aus lauter Feinfühligkeit!«
»Das hat damit nichts zu tun«, sagt Teddy mit merkwürdiger Heftigkeit. »Das sind Unglücksfälle! Mal entgleist ein Zug, mal explodiert ein Flugzeug. Deshalb fahren und fliegen wir trotzdem weiter. Und wenn es unserer Menschheit gelingt, sich und alles sonstige Leben auf dieser Erde auszubrennen, wird eine andere Menschheit auf einem anderen Planeten da weitermachen, wo wir aufgehört haben.«
Enrico sieht uns alle der Reihe nach an: »Ich wünschte, ich könnte dran glauben! Ich hätt’s dann nicht mehr so bequem mit < mir wie jetzt, aber es wäre vielleicht besser.«
Worauf Teddy gewaltig gähnt und sich dann dafür bei Enrico entschuldigt.
»Ich glaube, wir machen jetzt Schluß«, meint Addi. Und zu Enrico: »Mein Mann hatte nämlich vor einem
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