Zwei Toechter und drei Hunde
Margot, einer deiner Schüler, Peter X., hoch begabt!«
»Aha — und wieso nennt ihr ihn Buddy?«
»Das ist noch so ‘n Ulk aus Kindertagen. Margot und er sind Jugendfreunde, wie alle von hier, auch der Reiserer-Franz.«
Enrico mustert Buddy, jetzt mit ausgesprochenem Wohlwollen: »Jugendfreund — hm und studieren auch zusammen — nett, wirklich nett. Ordentlicher Bursche, offenbar sehr intelligent.«
»Hoch begabt.«
»Sagtest du schon. Hm. Werde auf ihn achten. Wirkliche Begabungen heutzutage selten. Also — dann! Wer fährt voraus?«
»Ich, um den Weg zu zeigen. Dann du mit Susanne und hinterher die Eltern.«
»Ich lasse sie gern Vorfahren!«
»Das glaube ich, du Halunke! Sie passen auf, ob du bei der Fahrt beide Hände am Steuer behältst.«
»Na, erlaube mal! Das hängt ja von der kleinen Frau ab! Sie ist doch schließlich verheiratet, und ich würde niemals...«
»So ganz sicher bin ich nicht. Besser, ihr werdet von uns eingeklemmt.«
Seine Augen glänzen: »Nicht ganz sicher? Na, dann mal los!«
Die Kolonne setzt sich in Bewegung. Wir müssen durch das ganze Dorf, und im Rückspiegel sehe ich, wie Susanne Enrico die Sehenswürdigkeiten erklärt und zwischendurch nach verschiedenen Seiten grüßt. Seit Monaten sieht sie mal wieder wie die alte Susanne aus, und Enrico hat den Hammelblick des Mannes in den Anfangsstadien der Verliebtheit.
»Ich würde ja mehr auf die Straße sehen«, sagt das Frauchen hinter mir. »Beinah hättest du der alten Griesbäuerin den Buckel abgefahren.«
»Dann beobachte du mal die beiden«, sage ich. Und über die Schulter: »Übrigens, Buddy, er hat sich nach dir erkundigt. Alter Jugendfreund von Margot und hoch begabt, habe ich gesagt. Er hat’s glatt gefressen. Obendrein hast du also noch einen Stein im Brett bei ihm!«
»Jugendfreund — pah!« macht er.
»Du bist ein Esel!« erklärt Margot. »Solltest dich lieber beim Colonel bedanken, der das alles so für uns zusammenstrickt.«
»Hoffentlich läßt er nicht mal ‘ne Masche fallen«, meint Frauchen düster. Sie klappt ihre Sonnenblende herunter und beobachtet den nachfolgenden Sportwagen im Make-up-Spiegel.
Als wir vor dem Kino halten, entsteht eine große Debatte darüber, ob wir die Hunde im Wagen lassen oder mitnehmen sollen. Bentlers und Enrico plädieren dafür, sie mit hineinzunehmen, aber ich habe, besonders bei Enrico, das Gefühl, daß es sich um eine Geste der Höflichkeit handelt. Schließlich entscheiden wir: Weffi bleibt im Wagen, und Peter kommt mit, auf Frauchens Arm. Angesichts des Umstandes, daß das Stück nur wenige Besucher hat und wir alte Stammgäste sind, wird Peter sowohl an der Kasse wie von der Platzanweiserin überschwenglich begrüßt: »Ja, freilich können Sie ihn mit ‘reinnehmen, gnä’ Frau. So ein lieber Kerl, so ein kleiner, der geniert ja keinen.«
Peter rollt die Augen, und ich habe das deutliche Gefühl, als habe er diese Bemerkung verstanden und als Beleidigung aufgefaßt. — Wir sind ungefähr fünfzig oder sechzig Leute im ganzen Theater, aber alle durch den unergründlichen Willen der Platzanweiserin auf drei Reihen dicht zusammengedrängt. Offenbar ein Atavismus aus goldenen Tagen ausverkaufter Häuser.
Als erstes läuft ein Kulturfilm vom Leben im Meer. Ein ganz besonders guter Film übrigens. Man sieht die Geburt eines Delphins und Seesterne, die Muscheln öffnen, und Tintenfische, die die Seesterne fressen, und Fische, die die Tintenfische fressen, und Langusten, die mit großen Krebsen kämpfen.
Rechts neben mir sitzt Enrico und neben ihm Susanne. Zu Beginn der Vorstellung war da im Dunkeln irgendwas los mit den Händen von Enrico und Susanne, so daß sich Addi, die zu meiner Linken sitzt, ostentativ vorbeugte. Dann aber fesselt uns alle mehr und mehr dieser Film, diese fast überirdische Schönheit der Farben und der nur allzu irdische Kampf aller gegen alle. Sogar Peter, der neben Addi auf Frauchens Schoß hockt, richtet sich einmal auf und sieht sich mit schiefem Köpfchen diese seltsamen Tiere an. Dann gähnt er aber und kringelt sich wieder auf Frauchens Schoß zusammen.
Danach kommt ein Western. Als der Sheriff durch die Schwenktür in die Kneipe tritt und prompt von dem einäugigen Gaucho erschossen wird, springt Peter so hoch, daß er Frauchen unters Kinn stößt und ihre Zähne knacken. »Das geht nicht, Peter«, flüstert sie, »los, geh hier ‘runter — hier ‘runter, habe ich gesagt! Und ganz still — ganz still, sagt dein Frauchen!«
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