Zwei Toechter und drei Hunde
die erwünschte Sensation. Alois (genannt Lois) bemerkt ihn als erster: »Ja mei, hast deinen toten Cocki ausgegraben, alter Zauberer?« Und zum Wurzel-Sepp: »Zwick mich mal, damit ich’s glaub’, ich habe erst meine dritte Maß!«
Der Wurzel-Sepp zwickt ihn, daß er »au!« schreit, und sagt dann verwundert: »Ja, so was! Ich fresse einen Besen, wenn das nicht der Wastl vom Reschke ist!«
»Er ist es«, sage ich würdevoll, »aber zur Erinnerung habe ich ihn Cocki getauft.«
Der alte Gutsbesitzer, der Jaromir, schneidet die Hälfte von seinem Leberkäs ab: »Na, so ein scheenes Hunderl!« Und ehe ich es verhindern kann, hat der Dicke den Leberkäs eingeatmet und legt ihm (dem Gutsbesitzer) in Erwartung weiterer Genüsse den Kopf aufs Knie. Ich beschwöre die gesamte Tafelrunde, weitere Gaben zu unterlassen, und die Zenzi stellt mir einen Maßkrug hin. Der Stammtisch ist die einzige Gelegenheit, bei der ich einen vollen Liter trinke, sonst ist es höchstens ein halber. Wie die anderen fahre ich mit der Hand über den Rand des Kruges und nehme dann einen kräftigen Schluck. Die Zenzi setzt sich neben mich und fängt an zu stricken, während die Mannsbilder eine Weile nachdenklich ihren tiefen Ausschnitt bewundern, der Einblick in rundliche Fülle gestattet. Das Wetter-Manderl stochert in seiner halblangen Pfeife und sagt dann mit einem Blick auf Zenzis Ausschnitt: »Hast aber ordentlich Holz vor der Hütten, Madel!« Worauf ihn alle erstaunt ob dieser späten männlichen Regung betrachten. Der junge Jäger sagt: »Der war doch mit dem Seehuber-Schorsch auf Wasserjagd, gelt? Den kenn’ ich doch!« Er schnalzt mit den Fingern: »Da geh her, Fuß!« Cocki nimmt den Kopf von Jaromirs Knie und sieht mich forschend an.
»Appell hat er nicht!« sagt der Jäger. »Ich geb’ Ihnen einen guten Rat. Wenn ich einen Hund bekomme und er nicht gleich gehorcht, kriegt er erst mal eine Tracht, eine ordentliche. Nachher geht’s dann schon.« Er streckt wieder die Hand nach Cocki aus, der sich an mich drängt und ihm stumm die Zähne zeigt.
»Meine Hunde«, sage ich, »brauchen keinen Appell. Und auf die Jagd geht er auch nicht mehr. Ich mag keine dressierten Tiere.«
Es entsteht ein Augenblick unbehaglichen Schweigens, das Jaromir unterbricht, indem er schnell eine Geschichte erzählt: »Damals«, sagt er, »als ich daheim noch mein Gut hatte, hatten sie mir im Krieg alle Pferde weggeholt bis auf den alten Nestor, den Wallach. Achtzehn Jahre war er und auf einem Auge blind und hatte bei mir das Gnadenbrot. Aber dann haben sie mir auch noch den Hafer für ihn gesperrt. Selbst mein Nachbar, der Jakobowski, durfte mir keinen mehr verkaufen. Da haben wir’s dann andersrum gemacht. Ich hatte einen Hund, Schnaps hieß er, so einen Dachspinschermopspudel mit Ringelschwanz und Schäferhundnase. Jede Woche habe ich meinen Nestor vor den Dogcart gespannt und bin zum Jakobowski hinübergezuckelt und hab’ i hm den Schnaps verkauft. Für den Preis von einem Sack Hafer. Das könnt’ uns ja keiner verbieten! Dann bin ich wieder auf den Dogcart gestiegen, und so sind wir heimgezuckelt. So nach zwei Kilometern tauchte Schnaps wieder bei uns auf, und in der nächsten Woche hab’ ich ihn halt wieder >verkauft<. So habe ich den Nestor durch den Krieg bekommen. Eines Morgens lag er tot im Stall, kurz ehe die Russen kamen.«
»Wo laßt ihr ihn denn schlafen?« fragt mich der Maler.
»Bei mir im Bett natürlich«, sage ich und fasse den jungen Jäger scharf ins Auge. Der zieht die Mundwinkel ‘runter, der Adamsapfel in seinem dürren Hals geht einmal auf und ab, aber er wagt nichts zu sagen.
Alles wiehert so, daß die Sommergäste erschrocken auf diesen bajuwarischen Heiterkeitsausbruch schauen. Der Maler haut mit der Faust auf den Tisch: »Na, was ist, Zenzi, was hast beschlossen? Kriegst erst das Kind und heiratest dann, oder umgekehrt?«
»Erst wird geheiratet«, erklärt sie entschlossen, »mich braucht keiner erst auszuprobieren.« Die Tafelrunde nickt feierlich Zustimmung, und dann wird eine Stunde lang der Mähdrescher durchgenommen, den sich der Huber-Franz gekauft hat. Da das Interesse an Cocki auf diese Weise endgültig erloschen scheint, trinke ich meine Maß aus und gehe heim.
Es ist Vollmond, die Höfe hocken — die Dächer tief ins Gesicht gezogen — rechts und links hinter ihren Vorgärten. Cocki trabt als ein ungewisser Schatten vor mir her und raschelt in den ersten Herbstblättern. Ich behalte ihn im Strahl meiner
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