Zwei Toechter und drei Hunde
ich empört, »er ist genau anderthalb Jahre! Sieh dir doch sein Gebiß an!« Ich ziehe die Flappe hoch: »Das putzen wir morgen«, sagt Frauchen. »Und außerdem«, erkläre ich, »ist das Haar im Gesicht nicht weiß, sondern silbern.«
Addi steht auf: »Bitte schön, silbern.« Und zu Frauchen: »Er ist schon vollkommen verknallt in dieses Monstrum! Ob der mir auch wie der alte Cocki alle Blumenzwiebeln wieder ausgräbt und aus euren sämtlichen Fenstern springt und ihr dann die halbe Nacht auf sitzt, bis er vom Fräulein Braut zurückkommt?«
»Also, daß er nicht aus den Fenstern springt, kann ich garantieren«, sage ich. »Er ist viel sanfteren Gemüts und interessiert sich erfreulich wenig für Weiber.«
»Na ja«, meint Addi, »du bist schließlich nur sein Vizevater.« Sie nimmt das Frauchen unter den Arm, und die beiden verschwinden. Die Mama bleibt gramgebeugt neben mir stehen: »Du wirst ihn doch nicht etwa hungern lassen, oder?«
»Nur, wenn du mir versprichst, nicht dauernd heimlich was in ihn ‘reinzustopfen.«
»Natürlich nicht!« Und dabei nestelt sie in ihrer Schürzentasche und bringt daraus den Kopf eines Schokoladenhasen zum Vorschein. Es ist der, den ich ihr zu Ostern geschenkt habe, und sie hat die Gewohnheit, sich diese von mir erhaltenen Hasen mindestens ein Jahr lang aufzuheben.
»Aber Mulleken«, sage ich.
»Nur zur Begrüßung«, meint sie und bricht ein Ohr ab, das der Dicke wie eine Pille hinunterschluckt.
»Nun kau das doch wenigstens«, sage ich.
Weffi bekommt das andere Ohr, nimmt es mit einem genießerischen Aaaahhh! entgegen und beginnt, es umständlich in seinem Haifischgebiß zu zermümmeln. Peterle erhält die eine Backe. Er beriecht sie, wie alles, was er zu fressen bekommt, zuerst mißtrauisch und ringt einen Augenblick mit sich selbst. Soll er es dem neuerwählten Meister spenden? Der Meister scheint das mit hochgehobenen Ohren und aufmunternden Augen zu erwarten. Aber die Schokolade siegt, und Peterchen frißt die Hasenbacke auf. Die Hand der Mama mit dem letzten Stückchen (linke Backe) bewegt sich höchst verdächtig in Richtung Cocki, aber ich halte sie fest: »Nix da, jetzt ist Schluß!« Worauf sie seufzend das Stück in den eigenen Mund steckt: »Cocki, dein Herrchen ist ein Tyrann!«
Abends nehme ich Cocki mit in den Dorfkrug. Dort habe ich mir im Laufe von fast zehn Jahren das Recht erobert, mit am Stammtisch zu sitzen, gleich neben dem gemütlichen Kachelofen mit den vielen Kuhlen, der im Winter so eine wohlige Wärme ausstrahlt, daß man am liebsten einnicken möchte, kaum daß man sich gesetzt hat. Jetzt ist davon natürlich noch keine Rede, und der holzgetäfelte Raum ist von den letzten Sommergästen ziemlich gut gefüllt. Ich werfe einen schnellen Blick rundum, ob die Sommergäste auch sehen, daß ich mich am Stammtisch niederlasse. Es ist der einzige Tisch, der keine Decke zeigt, sondern nur das blanke Holz, und daran sitzen die Einheimischen in den kniefreien krachledernen Hosen und haben auch hier im Lokal die alten, verwitterten Hüte mit den Gamsbärten auf. Jeder von ihnen hat seinen eigenen Maßkrug mit Deckel vor sich. Im Laute der Zeit haben sich aber auch noch andere Elemente dazwischengeschoben. Da ist zum Beispiel der berühmte Porträtmaler aus Wien, ein gottbegnadeter Künstler, noch von der alten Schule, der hier in unserem Winkel hängengeblieben ist und fröhlich versauert. Und da ist der weißhaarige Gutsbesitzer aus dem Sudetenland, der von seiner Entschädigung eine Handweberei aufgemacht bat. Gleich neben ihm sitzt mein Freund Alois, dem’s den Lebensnerv abgeschnitten hat, weil er — aus dem Krieg heimkommend — seine Frau mit einem anderen durchgebrannt fand, die den Hof verschleudert und die Buben mitgenommen hatte. Seitdem säuft sich der Alois so durchs Leben, wohnt in einem winzigen Häusl im Hinterhof des Sägewerkes, wo man auf einer Art Hühnerleiter zu ihm hinaufkraxln muß, ist im Sommer Hoteldiener im Seehof, im Winter Hilfsarbeiter im Sägewerk, zwischendurch macht er auch ein bißchen Autoschlosser und repariert die Traktoren. Neben ihm wiederum hockt mein anderer Freund, der Wurzel-Sepp, der gerade den Schaum vom Bier bläst. Und dann gibt’s da das Wetter-Manderl, den alten Förster, zu seiner Rechten den neuen Förster, den ich nicht leiden kann. Er ist so ein falkennasiger, hagerer Typ, der seine Hunde nie mit ins Haus nimmt und dem sie nur mit eingezogenem Schwanz folgen.
Mein Erscheinen mit Cocki erregt
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