Zwei wie wir: Roman (German Edition)
Und Getränke aufgefüllt.«
»Vor zwei Stunden.«
»Echt?«
»Sie gefällt dir immer noch, was?«, fragt sie, so beiläufig wie ein Weltkrieg.
»Wer?«
» Wer ?«, äfft sie mich nach.
»Naja.Gehtso.Sieistgenauwiefrüher.Irgendwienervig.«
»Aber sexy.«
Ich weiß, dass ich jetzt nichts sagen sollte. Aber warum eigentlich nicht. Es gibt doch nichts zu verbergen, nicht zwischen uns. Also: »Ja, schon. Sie hat sich gut gehalten, das kann man nicht abstreiten.«
»Findest du wirklich? Solche Ringe unter den Augen habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Jedenfalls bei keiner Unter-Siebzigjährigen.«
»Ist mir gar nicht aufgefallen.«
Innas Lippen werden um den entscheidenden Millimeter schmaler. Dann sagt sie mit federleichter Stimme: »Ohne Kinder bleibt der Bauch halt flach. Aber oben rum war sie das doch schon immer.«
Inna zieht davon. Ich bleibe stehen und sortiere meine Gedanken, die so durcheinander sind wie Emmas Zimmer, nachdem ihre Spielkameradinnen da waren.
Inna hat recht. Höchste Zeit, dass ich mich um die anderen Gäste kümmere. Immerhin ist es mein Hochzeitstags-Fest. Inna und ich feiern uns selbst. Zwei wie wir.
Ich rede mit Achim, mit Sascha, mit Gerrit (das heißt, mit dem streite ich mich, weil er Sandra angeschleppt hat), mit Bernd, mit Erik, mit Rosie, mit Rosies Eltern, mit Merit, Sanya, Marianne. Ich tanze mit Katarina, Christine, Lara. Trinke mit Tommy, Carlos, Sascha. Ziehe mit Ronny einen durch, ausgerechnet. Abschied vom Hirn. Das Fest aller Feste.
Ich halte Ausschau nach ihr. Sandra. Verschwunden. Ich frage ein paar Leute, ob sie sie gesehen haben. Ganz beiläufig natürlich. Niemand weiß was. Ist sie gegangen?
Ich mache mich auf die Suche und finde Sandra alleine im Wohnzimmer auf der Couch. Hier ist es ruhig. Alle anderen sind im Garten. Sie trinkt Wein, blättert in einem Kunstband.
»Hattest du Streit mit deiner Frau?«, fragt sie. Dieses Lächeln. Süß wie eine reife Feige und giftig wie eine Tollkirsche.
»Nein, alles in Ordnung.«
»Bist du glücklich, Alex?«
»Was soll das denn jetzt?«
»Ist doch nur eine Frage. Früher haben wir darüber ständig geredet.«
»Früher war früher.«
»Warum so sauer?«
»Ich bin nicht sauer.«
Sie schlägt knallend den Kunstband zu. Ich muss an Innas Bemerkung denken. Eigentlich Quatsch. So flach ist Sandra gar nicht.
»Warum zeigst du mir nicht mal das Haus?«, fragt sie.
»Okay, klar, wenn du möchtest.«
»Entspann dich, Alex.«
»Ich bin entspannt.«
Und an die Kammerjägerbemerkung, die Inna gemacht hat und über die ich jetzt noch einmal laut lachen muss.
»Was ist?«, fragt Sandra.
»Ach, nichts«, sage ich.
Ich führe sie durchs Haus. Dann ist ihre Hand auf meinem Hintern. War irgendwie klar. Weniger klar ist, dass ich nichts dagegen unternehme. Das Wohnzimmer, die Küche, der Flur, sogar der Keller. Dann zeige ich mit dem Kinn zur Treppe. »Oben sind die Schlafzimmer, aber die musst du nicht sehen, oder?«
»Du bist süß.«
»Ach, komm schon.«
»Du hast Angst, Alex.«
»Nein, habe ich nicht.«
Sie zuckt mit den Schultern, sieht mir in die Augen. »Bist du es noch, Alex?«
Sandra nervt mich, aber gerade das reizt mich auch. Liegt vermutlich am Alkohol. Und an den letzten Monaten. Ich denke, dass ich seit Ewigkeiten mit keiner Frau geschlafen habe. Mit Inna, klar. Das meine ich nicht. Aber mit keiner anderen. Seit fünfzehn Jahren nicht. Verdammt, was soll das? Es gibt keinen Grund für das hier. Ich habe nicht einmal wirklich Lust dazu. Aber irgendetwas schmort in meinem Hirn durch. Ich habe doch Lust dazu. »Okay, gehen wir hoch«, sage ich.
»Na, siehst du. Geht doch«, sagt sie. Selbstbewusst, aber das kaufe ich ihr nicht ab. Ist mir aber egal.
13
B e i Flüchtlingen, Straftätern und Prominenten wird oft mit viel Aufwand versucht herauszufinden, wie alt sie eigentlich in Wirklichkeit sind. Dabei ist es doch ganz einfach. Gebt ihnen Unmengen an Alkohol und guckt, wie es ihnen am nächsten Tag geht. Wenn sie mit püriertem Hirn und einem Atem wie ein Komodo-Waran aufwachen, sind sie auf jeden Fall über vierzig.
E s ist Sonntag, der Tag nach unserer Party. Jedenfalls vermute ich das. Kann aber auch sein, dass eine Woche oder ein Monat vergangen ist. Offenbar habe ich mir genau die Gehirnzellen weggesoffen, die für das Zeitgefühl zuständig sind. Das Schmerzzentrum ist dagegen nicht betroffen. Dumm gelaufen.
E r st am frühen Nachmittag bin ich wieder ein intelligentes Lebewesen, das auf
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