Zwei wie wir: Roman (German Edition)
Bilddateien von früher hoch. Sandra Paulsen. Tresenschlampe, Mercedesstern-Abrecherin, Im-Bett-Oben-Liegerin. Und ob ich mich erinnere.
»Sandra! Wow!«
»Guck nicht so, Alex. Ich habe keinen Revolver in der Hand, oder so. Und ja, verdammt, ich weiß auch, dass ich nicht jünger geworden bin.«
»Gott, nein, das meine ich nicht. Ich bin einfach nur … ja, überrascht.«
»Weil du mich nicht eingeladen hast? Du kennst mich doch, auf so etwas habe ich schon immer gepfiffen.«
Stimmt. »Ist super, dass du da bist.«
»Ich habe zufällig nach langen Jahren Gerrit wiedergetroffen, und der hat mir gesagt, dass ihr feiert. Ist es schlimm, dass ich einfach aufgekreuzt bin?«
Für mich nicht, denke ich. »Komm rein. Jeder ist willkommen. Du wirst einige Leute kennen.«
In diesem Moment kommt Inna durch die Terrassentür ins Haus, um nach mir zu suchen. Sandra deutet mit dem Kinn in ihre Richtung. »Ist das deine Frau?«
»Wieso?«, frage ich Sandra erstaunt. »Du kennst Inna doch. Von damals, du weißt schon.«
»Was denn? Die Inna? Ist deine Frau geworden? Du und sie? Ist ja Wahnsinn«, sagt Sandra.
Sie lächelt Inna zu, die lächelt zurück. Männer würden mit den gleichen Gefühlen aufeinander schießen. Oder wenigstens mit Fäusten aufeinander losgehen. Was besser ist? Muss wohl jeder selbst entscheiden. Ich bin froh, dass die Frauen es bei einem Lächeln belassen. Wenn auch einem frostigen.
»Hallo, Sandra. Schön, dass du da bist. Warum gehst du nicht raus in den Garten und nimmst dir was zu trinken? Ein paar unserer Gäste dürftest du ja kennen. Ich hoffe, sie reden noch mit dir«, sagt Inna, immer noch mit ihrem perfekten Lächeln. Nur, dass auf ihren Worten eben eine nicht zu übersehende Eisschicht schimmert.
»Tun sie, verlass dich drauf. Na, dann … «, antwortet Sandra unbeeindruckt. Das konnte sie schon immer. Sich nicht beeindrucken lassen. Was mich mal ziemlich beeindruckt hat. Ist aber schon eine ganze Weile her. Fünfzehn Jahre. Inna hat Sandra quasi damals abgelöst – das hatte ich vorhin vergessen zu erwähnen.
Sandra verschwindet durch die Terrassentür nach draußen. Inna sieht mich an, auch nicht gerade warm.
»Ich schwöre, dass ich sie nicht eingeladen habe«, sage ich und hebe die Hände in einer Geste der Unschuld. »Wenn ich es richtig verstanden habe, hat Gerrit sie angeschleppt. Du kennst ihn ja.«
»Am liebsten würde ich einen Kammerjäger holen, der sie wieder nach draußen befördert. Und Gerrit gleich dazu. Also echt.«
»Ach, komm schon, Inna. Übertreib nicht. Es ist Ewigkeiten her.« Ich klinge souverän, bin es aber nicht. Sandra Paulsen. Sex auf dem Küchentisch, Sex im Auto, mitten auf der Köhlbrandbrücke, R.E.M.-Konzert1994 , die Nacht durchmachen und dann ins Auto und ab nach irgendwo, lieben, streiten, schreien, kratzen …
Ich sehe Sandra hinterher, die sich gerade den Weg durch den Garten bahnt. Ich bin nicht der Einzige. Genau wie früher. Sie zieht die Blicke an wie Honig einen Wespenschwarm.
Inna lächelt und sieht mich an wie ein Röntgengerät. Sie kann mich komplett durchleuchten. Weiß alles. Sieht alles. Sie kennt mich.
D i e Fortuna-Bar, die ich Mitte der Neunzigerjahre mit Gerrit betrieb, ging ab wie eine Facebook-Party, lange bevor es Facebook gab. Damals nannten wir das Mundpropaganda. Oder einfach Glück. Einer sagt es dem anderen, und dann kommen alle. Gerrit und ich machten meistens die Bar, eine oder zwei Studentinnen machten die Tische. Sandra war eine von ihnen. Gegen drei oder vier Uhr morgens war Feierabend. Ein letzter Drink, eine letzte Zigarette, dann Getränke für den nächsten Tag kalt stellen, Aschenbecher leeren, abschließen. Die anderen waren schon weg. Nur noch Sandra und ich waren da. In den Sommermonaten wurde es um diese Uhrzeit schon hell. Nur nicht nach Hause. Wohin also? Elbe? Alster? Mittelmeer? Irgendwohin fuhren wir immer. Dann blieben wir so lange wach, bis wir nicht mehr konnten. Mit Augenringen und zu viel Nikotin den neuen Tag begrüßen. Nicht einschlafen, sondern irgendwann umkippen.
Das war natürlich alles ziemlich übertrieben. Eine Show. So, als würden wir irgendeinen Film nachspielen. Mir hat’s gefallen, auch wenn ich immer wieder grinsen musste, weil ich uns albern fand. Aber ob wir nun wirklich so waren oder nur so taten als ob, das machte keinen Unterschied.
Sandra studierte Fotografie, arbeitete nebenbei noch als Verkäuferin in einer Galerie. Sie hatte eine Bombenfigur, Locken wie Unkraut,
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