Zwei wie wir: Roman (German Edition)
zwei Beinen laufen und Aaaah sagen kann. Ich dusche, ziehe mich an und versuche, mich an letzte Nacht zu erinnern. Irgendetwas war da. Aber was?
Ich trete hinaus auf die Terrasse, wo Julian, Emma und Inna beim Mittagessen sitzen. Der Garten ist schon wieder halbwegs aufgeräumt. Die drei sehen mich an wie der Wohlfahrtsausschuss der Französischen Revolution einen adligen Delinquenten. Vermutlich ist es ganz egal, was ich vorbringe, am Ende wartet die Guillotine auf mich.
Ausgerechnet Emma macht den Robespierre. Das kann sie, meine entzückende Tochter. Prinzipiell sind neunjährige Mädchen zwar das Niedlichste, was die menschliche Spezies hervorbringen kann, aber nicht, wenn sie sich für die Erziehungsberechtigten ihrer eigenen Eltern halten.
Emma zieht die Nase kraus und sagt: »Du siehst schlimm aus, Papa. Und du stinkst.«
»Ich habe gerade geduscht, Schatz.«
»Von innen .«
Julian lacht laut auf und sagt: »Ich finde Alex cool. So einen Dad wollte ich schon immer haben: Säuft die ganze Nacht und schläft dann in seiner eigenen Kotze. Wenn ich das an der Schule erzähle, beneiden mich alle.«
»Das tust du nicht!«, fahre ich ihn an.
Julian zuckt mit den Schultern. »Ich habe ein Video von dir gemacht, wie du nackt in der Lache liegst, Alex. Ich sage dir, das wird ein Hit auf Youtube . Ungefähr wie David Hasselhof. Nur gut, dass Mom und du nicht geschieden seid, sonst dürften wir dich bestimmt nicht mehr sehen.«
»Und das wäre verdammt schade«, sage ich und werfe einen Seitenblick auf Inna. Sie hat bisher nichts gesagt. Stattdessen hat sie mich mit Blicken angesehen, mit denen man junge Katzen töten könnte.
»Wäre es doch, oder?«, fasse ich nach.
Keine Antwort.
»Inna? Alles okay?«
Schweigen.
»Schlechte Laune? Aber wieso denn?«
Stille.
Inna räuspert sich. Immerhin. Dann redet sie. Leider. »Weißt du, was mich interessieren würde, Alex?«
»Ja. Nein. Sag mal.«
»Mich würde interessieren, woher du den Mut nimmst, hier einfach aufzutauchen, dich an den Tisch zu setzen und so zu tun, als wäre nichts passiert.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest, Inna. Ich … «
In diesem Augenblick fahren die letzten neuronalen Netze in meinem Kopf wieder hoch, und ich erhalte erste leicht verwackelte Bilder der letzten Nacht.
Stimmt. Woher nehme ich den Mut?
I c h war mit Sandra im Schlafzimmer. Alleine. Weil sie es halt sehen wollte. Eine Führung durchs Haus. Ganz harmlos. Na ja, fast ganz harmlos. Durch das gekippte Fenster hörten wir den Partylärm aus dem Garten. Alles wie früher. Der ultimative Kick. Gefährlich war gut. Verboten war besser.
Sandra sah mich an. Ziemlich eindeutig. Wir waren alleine. Aber meinte sie das ernst? Wir hatten uns seit Ewigkeiten nicht gesehen. Und heute war mein Hochzeitstag. Außerdem nervte sie mich, und ich gab mir wenig Mühe, es zu verbergen. Na ja, zugegeben, sie zog mich gleichzeitig ziemlich an. Das hätte ich kaum verbergen können, selbst wenn ich mir Mühe gegeben hätte.
In meinem Kopf ging es zu wie im Bundestag. Regierung und Opposition. Die einen dafür, die anderen dagegen. Hin und her, und alle quatschen dazwischen. Soll ich es tun? Soll ich es lassen? Gott! Ich bin 44 Jahre alt und kann nicht mal mehr einfach mit einer Frau rummachen, ohne dass mein Hirn durchschmort?
Sandra hat noch nie lange gefackelt. Also auch jetzt nicht. Sie stellt sich vor mich hin, lacht frech, und dann sind ihre Lippen auf meinen. So als wäre die Fortuna-Bar, all das, gerade erst gestern gewesen. Gar nicht übel, denke ich. Und es geht weiter. Hoppla! Sie streift mir mein Union-Jack-Shirt über den Kopf, wirft es auf den Fußboden. Ihre Bluse landet daneben. Meine Lippen an ihrem Hals. Verdammt salzig. Ihre Lippen auf meiner Brust. Verdammt heiß. Wir fallen aufs Bett. Der Geruch ihrer Haut. Wie weit geht das hier? Tun wir es? Wirklich? Hör doch auf mit dem Mist, sagt eine Stimme in meinem Kopf. Wieso denn?, fragt eine andere.
»Alex, alles klar mit dir?« Sandra liegt fast auf mir. Sie sieht mich fragend an.
»Ja, alles klar. Glaube ich. Na ja, nicht wirklich.«
Die Achterbahn wird langsamer. Die Promille weniger. Sie küsst mich. Ich sie nicht.
»Hey? Was soll das? Zu besoffen? Oder doch keinen Bock?«
Ich werde schlagartig nüchtern. Was passiert hier gerade? Es ist mein Hochzeitstag. Wir liegen in meinem Bett. In meinem Ehebett. Kurz davor, es zu tun. Bin ich bescheuert? Bin ich.
»Ach komm, Sandra. Hören wir auf damit. Bringt nichts.
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