Zwei wie wir: Roman (German Edition)
raus sein. Aber vielleicht auch nicht. Ich will nicht kleinlich sein.
Ich bin tatsächlich ein wenig stolz darauf, dass wir es in einer Nacht gleich dreimal tun. Weil ich’s lange nicht erlebt habe. Wenn Inna und ich ins Bett gehen, gehen wir ins Bett, weil wir müde sind. Erst ins Bad, dann ausziehen, dann mitunter Sex, dann einschlafen.
Das hier ist etwas anderes. Es gibt keine Reihenfolge oder so. Wir sind neugierig, wir sind gierig. Ziemlich gut. Sie beißt mir ein paarmal in den Hals, was mich auch nervt, weil es Spuren hinterlassen wird. Aber eigentlich ist mir sogar das egal. Das ist der Unterschied. Die Uhren hören auf zu ticken. Das habe ich vermisst, wird mir klar.
I c h wache im Morgengrauen auf. Kopfschmerzen, mieser Geschmack im Mund, Erinnerungslücken. Das volle Programm. Dennoch fühle ich mich um zwanzig Jahre verjüngt. Ein Blick in den Spiegel sagt mir zwar das Gegenteil, denn was mir da entgegensieht, ist faltig und hat ein paar silbergraue Stoppeln im Bart. Aber das meine ich nicht.
Nach einem kurzen Besuch im Bad gehe ich zurück in Sandras Zimmer. Sie wohnt in einer WG , hat keine feste Beziehung, genau wie früher. Wir liegen auf einer Matratze auf dem Fußboden, inmitten eines ziemlichen Chaos. Aufräumen wäre nicht verkehrt. Und wenn ich das schon sage … Ich schlafe wieder ein.
A l s ich das nächste Mal aufwache, geht’s mir besser. Wo bin ich? Nicht zu Hause jedenfalls. Neben mir liegt eine Frau, mit der ich nicht zusammen bin und mit der ich dennoch Sex hatte. Und die raucht noch vor dem Aufstehen die erste Zigarette. Über die Anlage dudelt Prince, als er schon Symbol hieß.
Jemand klopft an der Tür.
»Was?«, brüllt Sandra.
»Ich bin’s.« Ein blassgesichtiger Knilch mit Dreadlocks steckt seinen Kopf zur Tür rein und fragt mit leiernder Stimme: »Hey, Sandra, willst du Frühstück? Ich mache Milchkaffee. Wer ist’n der Typ? Will der auch was?«
»Komm rein, Mike«, sagt Sandra.
»Ich will nicht stören«, sagt er, betritt aber trotzdem das Zimmer.
»Quatsch. Das ist übrigens Alex. Alex, Mike. Mike ist eigentlich kein Mitbewohner, sondern nur der Freund von Angela. Aber eigentlich ist er doch ein Mitbewohner, weil er immer hier ist.«
»Hi, Mike«, sage ich.
»Hi, Alex. Ich habe dich schon mal irgendwo gesehen. Glaube ich jedenfalls. Oder doch nicht?«
»Vielleicht im Schuster’s. Ist mein Laden.«
»Ja, klar. Cool. Ich kenne Erik.«
Dann kneift Mike seine verkifften Augen zusammen und legt den Kopf schief. »Wartet mal eben. Ich wollte an irgendetwas denken. Habe ich aber vergessen. Was war das noch mal?«
In diesem Moment hören wir aus der Küche eine hysterische Frauenstimme: »Mike, du blödes Arschloch. Kannst du eigentlich ein einziges Mal Milch kochen, ohne dass sie überläuft und anbrennt? Verdammte Kacke.«
»Das ist Angela, Mikes Freundin. Ist jeden Morgen dasselbe«, erklärt mir Sandra.
Mike, den ich auf etwa dreißig schätze und der vermutlich im zwanzigsten Semester Sinologie oder Politikwissenschaften studiert, zuckt nur träge mit den Schultern. »Ach ja, jetzt fällt mir auch wieder ein, woran ich denken wollte. Die Milch. Auf dem Herd.«
»Und meinst du nicht, du solltest jetzt mal in die Küche gehen und dich drum kümmern?«, fragt Sandra.
»Ja, klar. Hast du recht, Sandra. Sollte ich.«
Er bleibt noch für etwa dreißig Sekunden bewegungslos im Zimmer stehen. Dann erst dreht er sich um, trottet zur Tür, bleibt dort aber noch mal stehen. »War nett, dich kennenzulernen, Alex.«
»Ja, ebenso«, sage ich.
Nachdem Mike die Tür zugemacht hat, sieht Sandra mich lächelnd an. »Ist ein netter Kerl. Nur ein bisschen langsam.«
»Echt? Merkt man gar nicht«, sage ich.
Die ganze Situation kommt mir vor wie die sprichwörtliche Urzeit-Mücke, die im Bernstein eingeschlossen ist. Nur dass das hier offenbar die Achtzigerjahre sind, die aus einem mystischen Grund in dieser WG überlebt haben. Die Matratze auf dem Fußboden, rauchen vor dem Aufstehen, Kiffer, die die Milch anbrennen lassen. Alles ganz witzig. Aber eigentlich ist mir das schon vor zwanzig Jahren auf die Nerven gegangen.
Sandra und ich stehen auf und frühstücken mit Angela und Mike in der Küche. Baguette, Seranoschinken und Milchkaffee aus einem Kaffeevollautomaten mit Kegelmahlwerk von Jura. Okay, die Zeit ist doch nicht ganz stehen geblieben. Heutzutage ist mehr Geld da.
Wir diskutieren die Frage, ob Popstars immer noch unsterblich werden können, wenn sie in ihren
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