Zwei wie wir: Roman (German Edition)
gedacht, dass du dich melden würdest.«
»Tatsächlich?«
»Ich kenne dich, Alex. Besser als du glaubst.«
Besser als ich selbst, denke ich.
Mehr müssen wir nicht sagen. Sandra hat Zeit. Wir vereinbaren einen Treffpunkt. Kein Streit, keine Missverständnisse. Das ist sexy.
A b und zu tust du etwas, obwohl du es gar nicht willst. Das heißt, nein, falsche Formulierung. Natürlich willst du es. Aber dein Wille ist nicht unbedingt entscheidend. Es passiert einfach.
Es ist so wie in unzähligen Science-Fiction-Spielfilmen, wenn die Raumschiffe der Guten vom Traktorstrahl ihrer Gegner eingefangen werden. Die Navigatoren hämmern wie verrückt auf ihre Steuerkonsole ein, aber es bringt nichts. Irgendwann geben sie auf, wenden sich an den Chef auf der Brücke und sagen: »Die Instrumente reagieren nicht, Captain. Die Klingonen haben die Steuerung übernommen.«
Okay, Sandra ist nicht unbedingt eine Klingonin, schon allein, weil sie alles andere als eine wulstige Stirn hat. Tatsache aber bleibt, dass es nicht die geringste Rolle spielt, was ich will oder nicht will. Etwas anderes hat die Steuerung übernommen. Eine höhere Macht. Ich kann nur hoffen, dass diese Macht es gut mit mir meint. Und dass sie mich nicht in ein interstellares Trümmerfeld hineinmanövriert, wo dann kleine, messerscharfe Meteoriten die Außenhülle meines Schiffs durchschlagen und ich in der Stille und Dunkelheit des leeren Universums verloren gehe.
Sandra sieht einfach fantastisch aus, sie hat sich die Haare hochgesteckt und trägt eine enge Jeans und ein schlichtes T-Shirt. Beides zeigt, dass die Zeit zwar an ihr nagt, aber das Beste drangelassen hat. Das Einzige, was mich stören könnte, ist ihr etwas zu selbstbewusstes Lächeln. Aber so ist sie. Wir treffen uns vor einem BeachKlub im Schanzenviertel, gleich um die Ecke vom Schuster’s. Für einen Psychiater müsste ich zurzeit ein interessantes Studienobjekt sein. Geil wie ein Pavian, frustriert wie ein Witwer, durcheinander wie ein Kinderzimmer. Ein hochprozentiger Hormoncocktail schwirrt durch meine Adern. Kaum zurechnungsfähig. Ein Mann von Mitte vierzig halt.
Als wir das von einem hohen Strohzaun umgebene Gelände betreten, zucken ein paar Teenagerköpfe reflexartig in unsere Richtung. Wir sind in der Altersgruppe ihrer Eltern, und sie wollen abchecken, ob wir zu der Sorte Mami und Papi gehören, die hier nach ihren Kindern fahndet, um sie nach Hause zu den Schularbeiten zu schleifen.
Dann aber wird den Kids klar, dass wir zur anderen Sorte gehören. Wir schleifen niemanden irgendwohin, und wir haben früher selbst keine Schularbeiten gemacht.
Wir schnappen uns jeder ein Corona an der Bar und machen es uns in einer Ecke auf zwei Strandliegen bequem. Ich muss an Inna denken, als wir am Anfang unserer Beziehung ähnlich entspannt die Sommerabende in der Schanze verbracht haben. BeachKlubs gab’s zwar noch nicht, aber genug andere Locations. Damals. Sie und ich. Und dann eben nicht mehr. Irgendwann hat Inna mir erklärt, dass sie es für Zeitverschwendung halte, in die Stadt zu fahren, um dann einfach nichts zu tun. Theater, Kino, Konzert, das wäre okay. Aber einfach abhängen? Schade um die Zeit. Dabei kann man doch gar nichts Besseres mit seiner Zeit anfangen. Sie so, ich so. Stimmt schon. Wir haben Probleme.
Hätte jemand Sandras und mein Gespräch belauscht, hätte er vermutlich gedacht, dass wir beide am selben traurigen Gendefekt leiden – eine namenlose Krankheit, die dazu führt, dass man Gegenwart und Vergangenheit nicht auseinanderhalten kann. Wir reden nahtlos über ein Simple-Minds-Konzert, auf dem wir beide 1986 waren, ohne uns gekannt zu haben. Dann reden wir über unser Beziehungsleben in der Gegenwart, über Inna, über einen Mann in Sandras Leben, der aber keine Rolle mehr spielt, über die frühen und die späten Alben von Sting, über meine Tochter, ihre Mutter, über die Liedtexte von The Cure, Madonna versus Lady Gaga, über die Veränderung des Schanzenviertels, über Sandras Fotografie.
Irgendwann hoppen wir vom Beach rüber aufs Schulterblatt. Da wir mexikanisch begonnen haben, machen wir genauso weiter: mehr Corona, und dazu jetzt auch noch Tequila. Dann krümelt sie Dope in eine Zigarette und hält sie mir hin.
Ich ziehe kräftig dran und schicke mein Hirn auf Urlaub. Guter Abend. Geht’s mir zu schnell? Blödsinn.
»Also, was sagst du? Zu dir oder zu mir?«, frage ich sie.
Sandra lacht laut auf. »Zu dir können wir ja wohl schlecht.«
»Stimmt
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