Zwei wie wir: Roman (German Edition)
Bernd?«
»Na ja, also, du warst heute Morgen nicht da. Aber die Tür war offen. Da bin ich halt reingegangen. Und dann lagst du hier. Und ich … ich habe mich um alles gekümmert.«
»Oh Gott.«
»Bist du böse?«
»Weiß noch nicht.«
Als ich eine Viertelstunde später nach vorne in den Verkaufsraum komme, sehe ich Bernd, der hinter dem Tresen arbeitet. Der Mann, der normalerweise so langsam geht, als würde er versuchen, einen Bewegungssensor zu überlisten, und Selbstmordgedanken hegt, kocht Kaffee, presst Orangen aus, serviert Bagels und Wraps, nimmt Bestellungen auf und macht sogar hin und wieder witzige Bemerkungen zu den Gästen.
»Wow, Bernd. Das ist … beeindruckend«, sage ich.
»Na ja, du warst immer nett zu mir, Alex. Ich dachte, ich revanchiere mich.«
»Und das machst du verflucht gut. Schon mal überlegt, die Branche zu wechseln?«
»Was?«
»Na ja, ich könnte einen Angestellten brauchen.«
»Aber du hast doch Erik.«
»Siehst du ihn irgendwo?«
»Nein, aber … «
»War ein Witz, Bernd. Aber danke.«
Tatsächlich bleibt Bernd die nächsten zwei Stunden am Ball, und zu zweit bewältigen wir den ersten Kundenansturm spielend.
I c h setze mich mit einem Kaffee vor die Tür und versuche, die vergangene Nacht zu rekonstruieren. Angesichts meines Zustandes spricht viel dafür, dass Gerrit eine Rolle gespielt hat. Stimmt, jetzt fällt es mir wieder ein. Ich hatte mich mit Gerrit auf dem Kiez verabredet. Zunächst waren wir wie amerikanische Jugendliche in Gerrits Mustang die Reeperbahn auf- und abgefahren, haben dazu Dosenbier getrunken und uns über die Mädchen unterhalten, die wir sahen. Ganz nebenbei haben wir uns auch über mein Leben unterhalten.
»Inna hat dich also rausgeworfen?«, stellte Gerrit noch einmal fest.
»So kann man es ausdrücken.«
»Und?«
»Was, und?«
»Wie findest du es? Ich meine, freust du dich?«
»Geht so.«
»Solltest du, dich freuen.«
»Ach ja?«
»Klar, Alter. Ist eine Auszeit. Die beruhigt sich schon wieder. Und bis es so weit ist, solltest du die Zeit genießen.«
»Sie hat mir so etwas wie eine Aufgabe gegeben, Gerrit. Sie will, dass ich rausfinde, was ich wirklich will.«
»Und was willst du wirklich?«
»Weiß ich nicht.«
Gerrit blickte mich an, grinste halbseiden und sagte mit seiner seltsam hohen Stimme: »Kein Problem, mein Freund. Ich werde dir helfen, deinen wahren Willen zu ergründen.«
Die Hilfe bestand aus Drogen, Alkohol und Frauen – mit denen ich allerdings nicht geschlafen habe. Teils, weil ich nicht wollte, teils, weil ich nicht konnte. Natürlich war Gerrit enttäuscht. Man müsse die Dinge ausprobieren, um herauszufinden, ob man sie will oder nicht.
»Und das gilt auch für Frauen?«, fragte ich ihn.
»Logo.«
»Ich glaube, Inna hat’s anders gemeint. Und ich auch.«
Er zuckte mit den Schultern, tätschelte das Mädchen, das er im Arm hielt, an der Wange, warf ein paar Scheine auf den Tisch, und wir verließen das Bordell. Immerhin. Den Rest der Nacht saßen wir in einer Bar auf dem Kiez und unterhielten uns über den großen Widerspruch, den das Leben für einen Mann bereithält: Dass man sich in den Phasen der Freiheit nach einer Beziehung sehnt. Und in den Phasen einer Beziehung nach der Freiheit. Man will beides, kann aber nur das eine haben. Heißt das also, dass man es auf jeden Fall falsch macht? Oder ist es falsch, wenn man es nicht schafft, sich zu entscheiden?
Irgendwann beschlossen wir, auf eine Antwort zu verzichten. Und einfach nur zu trinken. Ich hatte zwar ein schlechtes Gewissen, aber es war auch klar, dass ich in dieser Nacht bei meiner Aufgabe nicht weiterkommen würde.
I c h war sechzehn und aus Rumknutschen war Sex geworden, aus miteinander gehen wurden Beziehungen. Es gefiel mir. Ich hatte das Gefühl, dass ich jetzt zu den Großen gehörte. Das richtige Leben hatte angefangen.
Ich machte allerdings schnell die Erfahrung, dass die Sache ziemlich kompliziert war. Es gab keinen Spaß, ohne dass du dir im gleichen Atemzug einen Haufen Probleme einhandelst. Kein Sex ohne Diskussionen (jedenfalls hinterher), keine Beziehung ohne Ärger. Selbst Kleinigkeiten wie Kinobesuche, Eis essen, Musik hören konnten sich ohne erkennbaren Grund zu gewaltigen Krisen entwickeln. Das Leben mit Frauen.
Damals hatte ich die Hoffnung, dass es Übergangsprobleme wären. Schließlich war ich Anfänger auf dem Terrain, noch ungeübt. Ich stellte mich bestimmt ungeschickt an, war viel zu ehrlich und direkt. Das
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