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Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Titel: Zwei wie wir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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wirklich? Ich muss mir über mich selbst klar werden.
    I c h gehe die Stufen hinab zu Bobby Reich, einem Bootsvermieter mit angeschlossener Gastronomie, gleich neben der Brücke. Obwohl an Tagen wie diesen die halbe norddeutsche Bevölkerung und dazu noch eine Million Touristen aus Skandinavien, Japan und den USA hier herumdrängeln, finde ich nach kurzer Suche einen freien Platz in der Sonne.
    Zugegeben, ich muss mich dafür zu drei Frauen an den Tisch setzen, die zusammen vermutlich ein Vierteljahrtausend alt sind und sich angeregt über dritte Zähne, künstliche Gelenke und Rollatoren mit ABS und ESP unterhalten.
    Aber im Moment bin ich nicht kleinlich. Mich rührt nicht einmal die Tatsache, dass eine der drei Ladys ihren Erdbeerkuchen mit einem mitgebrachten Taschen-Pürierstab zerkleinert und dann lautstark durch einen Strohhalm in den Mund saugt.
    Dann allerdings beginnen die drei über Beziehungen zu reden. Es wird haarig.
    »Mein Mann, der ist ja nicht mehr derselbe wie früher. Wenn ich ihn morgens wecke, sieht er mich aus großen Augen an und fragt mich, wer ich eigentlich wäre und was ich von ihm wolle«, sagt die erste.
    »Und was sagst du ihm dann?«, fragt die zweite.
    »Na, die Wahrheit. Ich wäre seine Ehefrau, und ich wolle sein Geld.«
    »Das sagst du ihm?«
    »Klar, du Dummerchen. Hat er nach zwei Minuten doch sowieso wieder vergessen.«
    »Also, meiner ist immer noch genauso wie früher«, erklärt die dritte der Frauen.
    »Dein Mann ist seit fünf Jahren tot, Lisbeth«, sagt die erste.
    »Ach, wirklich? Und ich dachte, er sitzt in der Bibliothek und ordnet seine Briefmarken.«
    Die zweite stößt die dritte an und sagt leise: »Vielleicht sollten wir deinen Mann mal mit Lisbeth zusammenbringen. Wäre bestimmt ein Spaß.«
    »Und wir könnten uns in der Zeit amüsieren.«
    »Was flüstert ihr denn da, ihr zwei?«, fragt Lisbeth empört.
    »Gar nichts, Liebes. Wir überlegen nur, wie wir es schön haben können.«
    Endlich taucht die Kellnerin am Tisch auf. Ich überlege kurz und bestelle dann einen Kaffee und ein Bier. Ich bin mir einfach noch nicht sicher, worauf ich wirklich Appetit habe. Aber da an Tagen wie diesen die Bedienung maximal alle zwei Stunden auftaucht, bestelle ich vorsorglich einfach beides.
    Kurz darauf weiß ich, dass meine Wahl richtig war. Ich trinke abwechselnd einen Schluck Bier, um mich zu entspannen, und einen Schluck Kaffee, um mich anzuregen. Es geht mir gut dabei. Ungefähr wie auf der Achterbahn.
    Dann rücke ich meinen Stuhl in die Sonne und schließe die Augen. Zum ersten Mal seit Stunden werde ich innerlich ruhig. Sogar das Bild vor meinem inneren Auge – Inna und ich in der Küche – verblasst.

25
    A m nächsten Morgen bin ich tot. Wie jede normale Leiche liege ich auf dem Rücken und habe die Hände fein säuberlich auf der Brust gefaltet. Erstaunlich finde ich nur die Tatsache, dass ich durch meine geschlossenen Augenlider sehen kann. Wusste gar nicht, dass das geht. Aber gut, war ja auch noch nie tot. Vermutlich ist das die Phase, kurz bevor sich die Seele aus dem toten Körper löst und gen Himmel schwebt. Oder sich eine neue Inkarnation sucht.
    Inna glaubt an Wiedergeburt. Ich glaube an gar nichts. Bald werde ich wissen, wer von uns recht hat.
    Um mich herum steht eine bunt gemischte Trauergemeinde und blickt auf mich herab. Es wird getuschelt. Manche der Umstehenden stoßen sich an und deuten mit dem Kinn auf mich und machen komische Bemerkungen. Andere kichern sogar. Brommi, der Anarchist, zuckt mit den Schultern und murmelt etwas davon, dass es der normale Lauf der Dinge wäre. Niemand scheint wirklich traurig oder betroffen zu sein.
    Woran bin ich eigentlich gestorben? Kann mich an gar nichts erinnern. Frust? Schock? Alkohol?
    Dann steigt mir der Geruch von frischem Kaffee in die Nase. Können Tote riechen?
    Eher nicht.
    Schlussfolgerung? Ich lebe doch noch. Jedenfalls mehr oder weniger.
    Schließlich berührt Bernd mich vorsichtig mit der Hand und sagt: »Jetzt setz dich gefälligst hin und trink das. Du bist kein schöner Anblick, Alex.«
    Er stellt den Kaffee neben mich auf den Boden. Ich realisiere endlich, wo ich bin. Ich liege im Büro des Schuster’s auf dem Fußboden. Die Menschen um mich herum sind Stammkunden, die sich das hier nicht entgehen lassen wollen. Alex Zimmer, der mit Mundgeruch und morgendlicher Erektion auf einer Isomatte auf dem Fußboden liegt und ganz offenbar eine schlimme Nacht hinter sich hat.
    »Und was machst du hier,

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