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Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Titel: Zwei wie wir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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ähnliche Probleme haben.«
    »Kennst du denn so jemanden?«
    »Ich kann dir eine Adresse geben.«

32
    H e ulende Männer sind kein schöner Anblick. Was zum Teufel mache ich also hier, in einer Selbsthilfegruppe von Typen in Trennungssituationen? Oder anders ausgedrückt: In einem Kreis von Kerlen, die auf Stühlen sitzen, an den Fingernägeln kauen und um die Wette schluchzen?
    Carlos hatte mir vorgeschlagen hierherzukommen, und er hatte mir auch gleich einen Info-Flyer der Gruppe zugesteckt. Es hätte ihm damals, als er sich von seiner ersten Frau Jutta getrennt hatte, auch gutgetan.
    Ich war nicht davon überzeugt, dass ich hier richtig sein könnte. Aber Carlos meinte, dass ich es einfach ausprobieren solle. Dem konnte ich nichts entgegenhalten.
    Ich verschränke die Arme vor der Brust und beschließe, mir die Zeit damit zu vertreiben, eine Typologie männlicher Wein- und Heularten zu erstellen. Weil das vermutlich die beste Art ist, wie ich das auf etwa zwei Stunden angesetzte Treffen überstehen kann.
    Da ist zum Beispiel Dieter – ein Schluckauf-Heuler. Seit ich zur Tür reingekommen bin, wird er alle dreißig Sekunden von einer Art Bäuerchen durchgeschüttelt, das mit einem kurzen, aber heftigen Tränenfluss einhergeht. Dieter war von seiner Frau vor die Tür gesetzt worden, weil er sämtliche Abende der Woche und auch die Wochenenden in seinem Hobbykeller verbracht hatte, um an Modellautos zu basteln. Das allein war für seine Frau kein Problem gewesen. Aber dann fand sie heraus, dass er sich dort unten Pornoseiten im Internet ansah. Das war dann das Ende.
    Direkt neben ihm sitzt Waldemar. Waldemar kaut nicht an den Fingernägeln, weil er keine Fingernägel mehr hat. Würde mich nicht wundern, wenn wir gleich das Weiße seiner Fingerknochen zu sehen bekommen. Wäre ein schöner Kontrast zu dem intensiven Rot seines Gesichts. Er trinkt zwischendurch immer wieder aus seiner Wasserflasche, was auch besser ist, da er durch einen konstanten Tränenstrom mehr Körperflüssigkeit verliert als andere Typen in einer 120-Grad-Dampfsauna. Waldemars Ex war mit Waldemars bestem Freund durchgebrannt, mit dem er jetzt natürlich nicht mehr befreundet wäre, wie er uns immer wieder erklärt. Zugegeben, eine harte Packung.
    Mein Liebling ist Harald. Er sitzt die meiste Zeit einfach nur stumm und apathisch da, als hätten ihn ein paar mitfühlende Psychiater mit den stärksten Mitteln sediert, die die psychopharmazeutische Industrie zu bieten hat. Alle zehn Minuten aber schreit er plötzlich auf, als hätte ihm jemand einen Nagel in den Fuß geschlagen. Die anderen warten dann kurz, bevor sie weitersprechen. Dann ist Harald wieder ruhig. Mein Sitznachbar Klaus erklärt mir, dass Harald diese Anfälle nicht wegen der Trennung von seiner Frau hätte. Sondern dass seine Frau sich wegen dieser Anfälle von ihm getrennt hätte. Bisher konnte die Gruppe ihm auch nicht helfen.
    »Und jetzt du, Alex.«
    Ich brauche einen Augenblick, bis ich kapiere, dass ich an der Reihe bin. Ich bin abgelenkt, weil ich voller Faszination Ulf betrachte, der ein Lachweiner ist. Es ist einfach nicht zu unterscheiden, ob Ulf sich gerade vor Lachen ausschüttet oder ob er heult. Oder ob er einfach beides gleichzeitig macht.
    »Alex!«
    »Was? Ach so, ja. Also, bei mir war das folgendermaßen«, beginne ich und gebe dann meine Geschichte in einer Kurzfassung zum Besten. Ein Betrug, der keiner war, dann ein Streit, dann ein Betrug, der wirklich einer war. Und seitdem eine Art Ehe-Urlaub, den ich dazu nutzen soll, um mir über mich selbst klar zu werden.
    Kilian, der Leiter der Gruppe, sieht mich mit in Falten gelegter Stirn an und macht: »Hmmmh.«
    Anders als bisher klingt das nicht mitfühlend. Eher streng.
    Raimund, ein Schneuz-Heuler, zieht ein Taschentuch hervor, pustet ungefähr drei Meter Rotz am Stück ins Papier, wischt sich mit dem gleichen Tempo über die Stirn, sieht mich dann an und sagt: »Wenn ich dich richtig verstehe, hat sie dich also gar nicht sitzen lassen?«
    »Nein, nicht so direkt.«
    »Eben. Klingt eher so, als wenn du deine Frau verlassen hättest.«
    »Blödsinn«, sage ich.
    »Aber du bist doch freiwillig gegangen?«
    »Na ja, irgendwie schon.«
    »Und du könntest zurück, wenn du wolltest?«
    »Ich schätze schon. Wenn ich denn wollte. Aber das ist ja genau das Problem. Ich weiß es nicht.«
    Kilian macht wieder Hmmmh und sagt dann: »Das ist schon klar, Alex. Aber das, was Raimund gesagt hat, stimmt auch. Du bist nicht

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