Zwei wie wir: Roman (German Edition)
Ich halt’s nicht aus. Sie macht nur Stress.«
»Es ist nicht so einfach, wie du es dir vorstellst.«
»Kannst du dich nicht bei ihr entschuldigen, oder so?«
»Wir haben eine Auszeit beschlossen. Das müssen wir jetzt durchziehen. Was danach kommt, wissen wir noch nicht.«
»Inna hat mich gefragt, ob ich zu Ronny ziehen möchte. Wenn es mir zu viel wird wegen dem ganzen Stress.«
»Hat sie nicht.«
»Doch. Ich war selbst überrascht.«
Der Schlag sitzt. Innas Haltung zu Julians leiblichem Vater ist eigentlich klar. Er ist in Ordnung, aber nur mit viel Abstand. Julian und er sehen sich zwar regelmäßig, aber bisher ist Inna ausgeflippt, wenn Julian auch nur über Nacht bei Ronny geblieben ist. Immerhin ist Ronny ein ziemlicher Chaot, für den Verantwortung ein Fremdwort ist. Und jetzt das.
»Und? Wirst du es machen?«, frage ich.
»Natürlich nicht. Ronny ist schon okay. Aber … Du bist mein Vater, Alex.«
Ich lege Julian eine Hand auf die Schulter. »Danke.«
Seine Worte tun verdammt gut, und schmerzen zugleich. Ich merke mal wieder, was auf dem Spiel steht. Julian schlürft von seiner Cola und sieht sich im Raum um. Er rückt etwas näher an den Tresen und fragt leise: »Lasst ihr euch scheiden, Inna und du?«
In den Augen des Siebzehnjährigen sehe ich das Kind, das immer noch in ihm steckt. Das Angst hat. Ich lege meine Hand auf seine, aber er zieht sie reflexartig zurück.
»Schwöre, dass ihr es nicht tut.«
»Das ist albern, Julian.«
»Also doch.«
»Nein, natürlich nicht.«
»Dann schwöre. Heb die Hand und sage es.«
Julians Stimme ist lauter geworden. Wir sitzen im Schuster’s. Obwohl es zumeist Stammgäste sind, die uns hören können und vor denen ich sowieso keine Geheimnisse habe, stört es mich. Aber egal. Darauf kommt es jetzt sowieso nicht an. Julian ist es wichtig.
»Okay«, sage ich. »Ich schwöre feierlich, dass ich mich nicht scheiden lassen werde.« Es klingt nicht sehr überzeugend, aber dennoch wirkt Julian entspannter.
»Kann ich es Inna erzählen?«
»Klar. Und erzähl mir, wie sie reagiert hat.«
S c heidung . Klingt wie eins von diesen aussterbenden Worten, so wie Wählscheibe, Bahnhofsgaststätte oder Prilblume. Irgendwie nach Siebzigerjahre. Heute trennt man sich, und zwar ganz egal, ob man verheiratet war oder einfach nur eine Beziehung hatte. Man geht auseinander, man splittet sich, man macht Schluss.
Ich telefoniere mit meiner Schwester, die immerhin den Beginn der ganzen Misere während unserer Hochzeitstags-Party mitbekommen hat. »Du musst dich halt entscheiden«, sagt sie.
»Das weiß ich.«
»Ich glaube nicht, dass wir dasselbe meinen.«
»Was meinst du denn?«, frage ich.
»Du musst dich entscheiden, ob du so werden möchtest wie unser Vater oder nicht.« Ulrike lacht zwar, aber wir wissen beide, dass sie es ernst meint.
34
I c h treffe mich ein paar Tage später wieder mit Achim. Wir gehen in einem italienischen Restaurant in der Thadenstraße essen. Einfaches Essen, zu dem wir uns einen guten Wein gönnen.
»Wenn du die Zeit noch einmal zurückspulen könntest, Papa … Wenn du noch einmal die Wahl hättest, würdest du dann bei Mama bleiben?«, frage ich ihn.
»Komische Frage, findest du nicht?«, erwidert er.
»Möglich. Es interessiert mich.«
»Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt darüber nachdenken möchte.«
»Komm schon. Du weißt, warum ich das frage. Es ist wichtig für mich.«
Achim sieht mich überrascht an, zuckt dann mit den Schultern. »Nicht einfach zu sagen. Ist schon verdammt lange her.«
»Ja, aber du wirst dich doch wohl noch dran erinnern? Also, bereust du es, dass du damals gegangen bist? Dass ihr euch getrennt habt?«
Ich muss an das Telefonat mit meiner Schwester denken. Hat sie recht? Geht es darum, so zu werden wie Achim? Es ist erst ein paar Jahre her, seit wir, Achim und ich, uns überhaupt so miteinander unterhalten können. Davor ging nicht mal Fußball oder Formel 1, was die meisten Väter und Söhne immerhin hinkriegen. Achim interessiert sich nicht für Sport, und ich kann ja kaum mit jemandem über Fußball sprechen, der nicht einmal weiß, wie viele Männer auf dem Platz stehen. Die einzige Alternative wären Golf-Gespräche gewesen. Aber wie soll er mit jemandem sprechen, der nicht einmal weiß, wie viele Löcher ein Platz hat?
Wodurch es anders wurde? Schwer zu sagen. Ich wurde gelassener, er hatte einen Herzinfarkt. Vermutlich haben wir beide dadurch
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