Zwei wie wir: Roman (German Edition)
kapiert, dass wir nicht ewig Gelegenheit haben würden, miteinander ins Gespräch zu kommen.
»Nein«, sagt Achim schließlich. »Ich bereue es nicht. Ich glaube, dass es in Ordnung ist, so wie es gekommen ist. Deine Mutter und ich hatten damals nicht wirklich eine Wahl. Ich war dickköpfig, sie war hart. Sie hätte mich vermutlich noch einmal zurückgenommen, aber der Preis, den sie verlangt hat, war zu hoch.«
»Sie wollte, dass du treu bleibst?«, frage ich. Es soll eine Spitze sein, aber Achim merkt es nicht einmal.
»Sie wollte, dass ich anders werde. Dazu hatte sie jedes Recht.«
»Aber das wolltest du nicht?«
»Nein, absolut nicht. Ich habe sie betrogen, ich habe sie verletzt, und dennoch habe ich es als Zumutung empfunden, was sie für ein Theater gemacht hat. Sie hat es übrigens auch getan.«
»Was jetzt?«
»Deine Mutter hatte Liebhaber. Ich war nicht so kleinlich wie sie. Ich hätte mich arrangiert. Irgendwann wären wir aus dem Alter sowieso raus gewesen.«
»Mama hatte … Hör auf, das erfindest du doch jetzt nur.«
»Frag sie.«
Der Schlag sitzt. Tiefer als ich es in diesen Sekunden wahrhabe. Ich muss an die Szene aus Stonk denken, in der der Stern -Chef die Hitler-Tagebücher hochhält und in die Mikrofone der Weltpresse brüllt, dass die Geschichte des Dritten Reiches neu geschrieben werden muss. Offenbar meine Lebensgeschichte auch. Die bisherige Version war eine Fälschung.
»Wir waren wie wir waren«, fährt Achim fort. »Das muss man akzeptieren. Es macht dich nicht glücklicher, die Dinge hinterher infrage zu stellen. Obwohl … es gibt eine Sache, die ich bereue. Nachdem ich mich damals von Beate getrennt habe, habe ich mein Glück noch einmal bei deiner Mutter probiert. Sie hat mich abblitzen lassen. Heute frage ich mich, ob ich es damals nicht länger hätte versuchen sollen. Vielleicht wollte sie nur sehen, wie ernst ich es meine.«
Ich sehe Achim überrascht an. Beate war die Frau, die er nach meiner Mutter geheiratet hat. Die Ehe hat nicht lange gehalten, vielleicht zwei oder drei Jahre. Ich wusste nicht, dass er danach noch einmal bei meiner Mutter angeklopft hat. Offenbar haben sie es vor mir geheim gehalten, vermutlich um mir keine falschen Hoffnungen zu machen.
»Aber war Mama damals nicht schon mit Peer zusammen?«, frage ich ihn. Peer ist der Mann, den meine Mutter nach Achim kennengelernt hat und mit dem sie bis heute zusammen ist. Ein feiner Kerl, was auch Achim anerkennt.
»Ja, klar, war sie. Sie hat es mir auch gesagt. Aber Gott, von so etwas darf man sich nicht abschrecken lassen. Alte Liebe rostet nicht. Klingt altmodisch. Aber da ist was dran.«
»Klingt wirklich altmodisch.«
»Deine Mutter und ich lieben uns immer noch. Das überrascht dich vielleicht, aber es ist so. Ich bin mir sicher, dass sie es auch so sagen würde.«
»Und trotzdem möchtest du Ludmilla heiraten?«
Achim macht eine wegwerfende Handbewegung, grinst dann wie ein Fünfzehnjähriger. »Vergiss es. Das Thema mit der Hochzeit ist erst einmal durch. Sie hat mich überzeugt, du auch. Man muss nicht heiraten. Weil es sowieso nichts ändert. Heutzutage nicht mehr.«
»Und was ist mit Mama und dir? Wie passt das zusammen? Du hast mir gerade gesagt, dass ihr euch immer noch liebt.«
»Ja, das stimmt. Aber darauf kommt es nicht immer an. Deine Mutter und ich haben den Punkt verpasst, an dem wir es noch einmal mit einem gemeinsamen Leben hätten versuchen können. Der Zug ist abgefahren. Wir haben beide unseren Frieden damit geschlossen.«
»Möglich also, dass ich in zwanzig oder dreißig Jahren mal dasselbe über Inna und mich sagen werde.«
»Ja, möglich. Damit solltest du rechnen. Jedenfalls wenn du es so weit kommen lässt.«
I n dieser Nacht liege ich auf meinem Feldbett und kann nicht schlafen. Ich trinke Bier und höre Anti-Depressiva von Radiohead, Roxy Music und Van Halen. Hilft es? Natürlich nicht. Der Pop ist vorbei. Wir haben wieder das echte Leben.
Das Feldbett hat einen olivfarbenen Leinenbezug, und darum versuche ich mich zu fühlen wie Che Guevara, der jahrelang während seines Guerillakrieges auf solchen Betten in Zelten geschlafen hat.
Ich find’s trotzdem unbequem und wenig stimmungsvoll.
Hatte Che eigentlich jemals Beziehungsprobleme? War er überhaupt verheiratet? Verliebt? An Frauen interessiert?
Was für eine Entwicklung. Vor ein paar Wochen noch 160 Quadratmeter plus Garten in der Vorstadt. Heute sechs Quadratmeter in der Innenstadt.
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D u kommst jetzt mit
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