Zwei Wochen danach (German Edition)
helfen“, habe ich gesagt.
„Das mag sein. Aber ich sehe dir doch an, dass du es eigentlich tun willst.“
Es ist nach zehn Uhr und ich überlege, ob ich nach Hause gehe, um das Auto zu holen. Dann entscheide ich mich für die S-Bahn. Ich bin aufgeregt und habe Angst, dass ich in dieser Situation auch noch einen Unfall baue.
Unterwegs grübele ich. Wer weiß, ob ich überhaupt allein mit ihr reden kann. Vielleicht sind die Kinder da. Die Großeltern wollten sie doch eigentlich gestern wieder bei ihr lassen.
Es hilft nichts, ich muss hin. Es würde so lange in mir arbeiten, bis ich sie gesehen habe. Ich kenne mich.
Nach einer Dreiviertelstunde trete ich aus der S-Bahn. Ich frage eine Frau, in welche Richtung ich gehen muss.
Schließlich erkenne ich die Straßen von gestern wieder. Ich laufe schneller und biege in die kleine Siedlung ein.
Vor der Haustür stehen zwei Bobbycars. Ich halte ihren Anblick nicht aus. Schnell drehe ich mich zur Klingel um.
Jetzt kann ich es nicht mehr rückgängig machen. Ich bete, dass keiner zu Hause ist, da höre ich Schritte. Am Fenster verschwindet ein Kopf, dann geht die Tür auf.
***
(Kristel)
Kristel hat Kuchen mitgebracht und den Tisch gedeckt. Die Jungen albern mit ihrer Tante herum.
„Wann kommt dein Vater eigentlich?“, ruft Kristel zu Veronika ins Wohnzimmer.
„Morgen Vormittag!“
Kristel geht mit dem Tablett voll Kaffee, Kakao und Kuchen ins Wohnzimmer.
„Und wie wollt ihr das mit dem Schlafen machen?“, fragt sie Heike, die auf der Couch sitzt und Pit und Marcus beobachtet.
„Die Kinderzimmer sind doch noch frei“, sagt Heike und verstummt gleich wieder.
Veronika unterbricht ihr Spiel und schaut Kristel an. Dann sieht sie zu Ludwig hinüber, der am Tisch sitzt und Zeitung liest. „Mein Vater kann ja auch oben bei mir schlafen.“
Ludwig reagiert nicht.
Heike steht auf und geht in die Küche. Als sie wiederkommt, hält sie Pits Lätzchen in der Hand. Sie kniet sich zu Pit und Marcus. „Wollen wir Kuchen essen?“
Dann reicht sie Pit die Arme.
Kristel hat das Tablett leergeräumt und steht sprachlos daneben. Sie ist gerührt und muss in die Küche verschwinden, um ihre Tränen wegzuwischen.
Fünf Minuten später sitzen alle beisammen am Tisch und essen den Streuselkuchen.
Marcus ist mit seinem Stuhl nah an Heike herangerutscht. Immer wieder beugt er sich zu ihr hinüber, die Kuchengabel in der Hand, und Heike blickt zu ihm und lächelt.
Es ist eine Welle der Erleichterung, die Kristel durchfährt.
Sie lehnt sich mit ihrer Tasse Kaffee nach hinten.
Doch gleich darauf ist sie beunruhigt, denn Wellen machen ihr im Allgemeinen Angst.
***
(Heike)
„Lass nur, ich mach das.“ Heike hat Veronika sanft an der Schulter gefasst und von der Spüle weggedreht.
Veronika legt den Lappen beiseite. Sie schauen sich einen Moment lang an und Heike möchte ihr am liebsten sagen, wie leid ihr alles tut.
Die letzten Tage und besonders, dass sie Marcus und Pit nicht hier behalten hat.
Doch sie bringt kein Wort heraus, sagt alles in Gedanken zu ihrer Schwägerin.
Veronika schaut ihr von einem ins andere Auge und Heike hat das Gefühl, dass Veronika sie versteht.
„Mir tut es auch leid“, sagt ihre Schwägerin plötzlich und umarmt Heike. „Ich weiß, es ist nicht so einfach!“
Heike klammert sich fest an Veronika und lehnt ihren Kopf an die Schulter ihrer Schwägerin.
Als sie die Umarmung lösen, blickt Heike in Veronikas verweintes Gesicht. Ihr Augen-Make-up ist verwischt und hinterlässt Spuren, die nach unten hin blasser werden.
Heike spürt ihre Tränen bis zum Kinn. Sie stellt sich vor, wie sie selbst aussieht und muss lächeln. Beide müssen lächeln.
Es ist ein erleichterndes Lächeln. Ein Lächeln, was sich gut anfühlt, ganz innen drinnen.
„Dann telefoniere ich nochmal mit Justine“, sagt Veronika. Aber statt zum Telefon, hört Heike sie nach oben gehen.
Heike räumt die Spülmaschine aus und bringt das Sonntagsgeschirr ins Wohnzimmer zurück.
Auf dem Schrank sieht sie den Stapel ungeöffneter Briefe liegen. Sie nimmt sie zögerlich und setzt sich damit auf die Couch.
Dann dreht sie einen Brief nach dem anderen in ihrer Hand und schaut sich die Absender an. Nur auf zweien steht etwas geschrieben, aber Heike meint, einige der Handschriften zu erkennen. Die anderen müssen aus der Nachbarschaft sein. Es sind keine Briefmarken darauf.
Veronika hat Justine am Telefon eine gute Nacht gewünscht und ist wieder nach oben
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