Zwei Wochen danach (German Edition)
träumt vor sich hin.
„Also was machen wir?“, frage ich Raphael.
„Papa geht es doch gut. Spätestens morgen wird er aufwachen. Müssen sie dann unbedingt noch bei uns bleiben?“
„Keiner weiß, ob es deinem Vater gut gehen wird, wenn er aufwacht“, lenke ich ein und merke sofort, dass es zwar Raphaels Forderung etwas zurückstellt, aber nicht der richtige Satz für Susanne war.
Sie schaut mich an. Erschrocken. Ängstlich. Traurig.
Ich hätte nie gedacht, dass Ralphs Unfall meine kleine, kratzbürstige Tochter so mitnehmen würde.
„Also gut, du hast Recht“, sage ich zu meinem Sohn. „Ich rede mit Opa!“
„Was ist, wenn er nicht aufwacht?“, kommt plötzlich von Susanne.
***
Freitag
(Kristel)
„Sie hat sich wirklich Mühe gegeben!“ Kristel verteidigt Heike.
„Ich kann sie nicht verstehen!“ Karl-Ludwig ist immer noch verärgert. „Heute Mittag fahren wir wieder hin!“
„Ja, damit war sie ja auch einverstanden!“ Auch Kristel reagiert jetzt etwas gereizt. Sie zieht sich eine dünne Jacke über und geht zu den Jungen in den Garten.
Ludwig hat zu viel erwartet. Er hat gedacht, er könne die Kinder gleich bei Heike lassen. Aber das war zu überstürzt.
Kristel freut sich schon darüber, dass sie jetzt jeden Nachmittag hinfahren würden.
Und nach der Beerdigung - mal sehen. Bestimmt wird es immer ein bisschen besser werden. Heike hat gestern sogar mit ihnen Bausteintürme gebaut.
Marcus und Pit kommen zu Kristel hinüber und Marcus reicht ihr einen Sandkuchen aus Pits Schubkarre.
„Hm, lecker“, sagt Kristel und kaut ein bisschen mit leerem Mund.
Zufrieden lädt Marcus den Kuchen wieder ein und sie fahren zum Sandkasten zurück.
Dass die Kinder gestern so ohne Wiederrede ins Auto eingestiegen sind! Kristel ist erstaunt. Vielleicht liegt es daran, dass Heike sie zum Abschied gedrückt und ihnen von morgen erzählt hat.
Dass die Mama viel Arbeit hat, damit konnte Marcus sicher mehr anfangen, als mit der Ungewissheit der letzten Tage.
Und er hat auch gar nicht nach seinem Papa gefragt.
***
(Nicole)
Beizeiten sind wir in die Klinik gegangen. Renate, Joachim und ich.
„Lass uns einen Kaffee holen“, habe ich zu Renate gesagt und ihr mit den Augen ein Zeichen gegeben.
„Willst du auch einen?“
Joachim verneint.
Auf dem Weg zum Automaten fällt mir ein, dass wir auch in die Cafeteria gehen könnten. Renate ist einverstanden.
„Was gibt’s denn“, fragt sie, als wir an einem kleinen Tisch hinter der langen Fensterfront Platz genommen haben.
„Es ist wegen Raphael. Er möchte seine gewohnten Umstände wiederhaben. Meinst du, ihr könntet nach dem Wochenende zu Hause übernachten?“
***
(Joachim)
Ich sitze vor seinem Bett und habe die Hände gefaltet. Er schläft. Genauso wie gestern und vorgestern und die anderen Tage. Ich bin froh, dass ich allein hier sitze. Ich habe Angst, dass jemand meine Gedanken aus meinem Gesicht lesen könnte. Lang wird es nicht sein. Gleich kommen Nicole und Renate wieder. Oder die Oberschwester schickt mich nach draußen, weil die Ärzte gleich hier sein werden.
„So kann es doch nicht weitergehen“, sage ich zu Ralph.
„Wir müssen Klarheit schaffen, bevor du aufwachst!“
Oder wacht er deshalb nicht auf?! Plötzlich ist dieser Gedanke da.
Ich wische mir den Schweiß von der Stirn.
Es ist plötzlich warm hier im Zimmer.
Das kann doch nicht sein! Bin ich schuld daran, dass mein Sohn noch im Koma liegt? Das ist Unsinn, möchte ich denken. Ralph hat Medikamente bekommen. Und die Wirkung muss erst nachlassen. Es kann nichts mit mir zu tun haben.
Ich beobachte ihn. Ob er irgendeine Regung zeigt. Mit meinem Stuhl rücke ich noch näher an ihn heran und fasse seine Hand. Sie ist warm. Ich drücke sie, drücke sie fester, aber er reagiert nicht.
Ich hab geschworen, dass ich mein Leben hergebe, wenn er überlebt. Ich musste es schwören. Sie brauchen ihn doch! Ihn brauchen sie, nicht mich. Ich bin ein alter Mann. Ich habe mein Leben gelebt!
Ich lasse Ralphs Hand los und mein Körper sinkt in sich zusammen.
„Mach es mir doch nicht so schwer“, sage ich leise zu meinem Sohn.
***
(Nicole)
Als wir vom Café zurückkommen, gehe ich nicht wieder mit in Ralphs Zimmer. Ich habe Renate erzählt, dass ich gestern nicht beim Arzt, sondern beim Haus des Fliegers war.
„Geh doch zu der jungen Frau!“, hat sie mir vorgeschlagen, als sie gehört hat, wie schlecht es ihr geht.
„Ich kann ihr doch auch nicht
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