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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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Buch über Brechts Planet ein drittes Mal zu lesen. Im Büro war auch keine Arbeit mehr. Er hatte alles fertiggestellt und es hatte auch keinen Zweck, noch einmal den Versuch zu unternehmen einen Brief hinauszuschmuggeln, bevor er wußte, was mit seinem ersten geschehen war. Die Angst überkam ihn wieder und er begann ruhelos herumzulaufen. Ob etwas schiefgegangen war? Als der erste Korrespondenzstapel heruntergekommen war, um gefaltet und in Briefbogen gesteckt zu werden, hatte er nichts anderes zu tun gehabt, als seinen Brief dazuzutun. Rudi, der picklige Wärter, hatte die Aufgabe, die Post wegzubringen. Es gab keinen Grund, daß Grück oder jemand anders die fertigen Briefe noch einmal nachsehen würde, Rudi brachte sie wahrscheinlich sofort zum Briefkasten.
    Aber er wartete jetzt schon eine Woche. Wenn Stein den Brief empfangen hatte, warum war dann immer noch nichts geschehen?
    Aus Emmas Wohnzimmer erklang ein leises Quieken. Wenig später ein zweites. Sicherlich war sie nur aufgestanden, um sich irgendetwas zu holen und hatte sich dann wieder hingesetzt … das war nur allzu natürlich angesichts der vielen Menschen.
    Er raffte sich auf, sah auf die offene Tür, reckte sich dann, ging hinaus und schaute verbissen geradeaus. Der erste Augenblick war schlimmer, als er erwartet hatte. Vor den Fenstern waren die Gesichter. Er versuchte, sie aus seinem Bewußtsein zu entfernen, sie zu ignorieren und schaute stattdessen auf die Magazine, die ihm plötzlich weniger attraktiv erschienen, als er sie in Erinnerung hatte. Sein Mund war ausgetrocknet und sein Herz klopfte schmerzhaft, aber es war jetzt leichter weiterzugehen als umzukehren. Draußen war eine ständige Bewegung entlang dem Gitter. Die Leute, die bisher Emma gemustert hatten, wechselten die Plätze um nun ihn anzustarren.
    Der Zweifüßler ging mit steifen Gliedern weiter, erreichte den Sessel und lehnte sich zurück, um an die Magazine zu gelangen. Beweg’ dich natürlich, ermahnte er sich selbst. Nimm die Magazine und dreh’ dich um …
    Draußen winkten die Menschen, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Rufe wie „Schau dir das an!“ und „Huhuu, Fritz!“ wurden laut. Ein blondes Kind wurde auf die Schultern des Vaters gehoben, damit es besser sehen konnte, aber es begann zu weinen. Verschiedene Leute zückten Fotoapparate. Trotz des plötzlichen Lärms vor dem Käfig hörte der Zweifüßler, wie jemand seinen richtigen Namen rief. Er war eben im Begriff gewesen zu gehen und drehte sich ungläubig wieder um.
    In der vordersten Reihe, eingezwängt zwischen zwei fetten Matronen, stand ein mittelgroßer Mann in grauem Mantel, der einen Stapel Papier in der Hand hielt. Seine Augen waren freundlich und fragend, sein Mund bewegte sich, und wieder vermeinte der Zweifüßler, seinen Namen gehört zu haben. Der Lärm war mittlerweile so stark angeschwollen, daß er Mühe hatte, ihn zu verstehen. Der Mann im grauen Mantel lächelte, hob ein Blatt Papier hoch und schrieb mit sorgfältigen Bewegungen etwas darauf.
    „Sind Sie Naumchik?“ las er. Dankbarkeit und Freude stiegen in dem Zweifüßler auf; Freude, die ihn bald erstickte. Er taumelte gegen die Glasscheibe, nickte heftig und zeigte auf sich selbst. „Ich bin Naumchik!“ rief er aus. Der Mann im grauen Mantel nickte befriedigt, faltete das Blatt zusammen und steckte es weg. Er winkte noch einmal und schickte sich an, sich aus der Menge herauszudrängen.
    „Fritz! Fritz!“ schrien die geröteten Gesichter draußen. Der Zweifüßler wartete und ging auf und ab. Zwanzig Minuten vergingen, ohne daß etwas geschah. Er würde seine Ungeduld bezähmen müssen. Der Mann im grauen Mantel konnte jeden Augenblick heraufkommen und sich für seine Freilassung einsetzen. Aber was sollte es, wenn er hier den Ruhigen spielte, er mußte irgend etwas unternehmen oder er würde den Verstand verlieren.
    Er sah das Telefon. Es war verboten, es außerhalb der Arbeitszeit zu benutzen. Und auch dann durfte er nur Dienstgespräche führen. Zum Teufel damit! Er trottete zum Telefon und begann zu wählen. Das Wählerlicht pulsierte, dann fragte die Stimme der Telefonistin: „Bitte?“
    „Naumchik“, sagte der Zweifüßler, aber als er seinen Namen ausgesprochen hatte, wurde ihm klar, daß er bereits falsch begonnen hatte.
    „Ich möchte Dr. Grück sprechen. Bitte verbinden Sie mich mit ihm.“
    „Was sagtest du, wer du bist?“
    „Martin …“ begann der Zweifüßler und schluckte. „Na gut“, verbesserte er sich.

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