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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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unter Drogen gesetzt zu werden und hatte deshalb jede Nacht hinter verrammelter Tür geschlafen. Aber bis auf den Zaun, den man errichtet hatte, um zu verhindern, daß die Leute seinem Käfig zu nähe kamen, hatten sie nichts unternommen, was ihn störte. Er schob den Tisch und das Bücherregel zur Seite und ging in das Büro. Es war immer noch zu früh für die Nachrichten, aber er schaltete den Fernseher trotzdem an.
    Emmas Gesicht erschien in ihrer Tür. „Guten Morgen“, sagte sie schüchtern.
    „Guten Morgen, Emma“, antwortete er überrascht. Er beschloß, ihr keine große Aufmerksamkeit zu schenken, sondern sich auf die bevorstehende Pressekonferenz vorzubereiten.
    Das Zweifüßlerweibchen kam zwei Schritte auf ihn zu.
    „Heute ist Mittwoch“, sagte es.
    „Das ist richtig. Mittwoch.“
    „Dies ist der Tag, an dem du beweisen mußt, daß du Herr Naumchik bist.“
    „Ja“, erwiderte der Zweifüßler überrascht und erfreut.
    „Dann wirst du weggehen.“
    „Sehr wahrscheinlich.“ Was wollte sie nur von ihm?
    „Dann werde ich allein sein“, fuhr Emma fort.
    „Nun“, erwiderte er stockend, „Ich nehme an, daß du dich daran gewöhnen wirst.“
    „Ich werde dich vermissen. – Lebewohl, Fritz.“
    „Lebewohl.“
    Sie wandte sich um und ging zurück zu ihrem Zimmer. Der Zweifüßler sah ihr nach; er war verstört und gerührt. Aus dem Wohnzimmer erklang ein Glockenspiel, dann eine sympathische Stimme. „Guten Morgen, verehrte Fernsehzuschauer. Es ist acht Uhr. Sie sehen die erste Frühausgabe der Tagesschau. – Bei einem Erdbeben in Kalkutta kamen siebenhundert Menschen ums Leben. Zwei Abgeordnete des Bayrischen Landtages wurden wegen unkorrekter Amtsführung angeklagt. Diese und andere Anschuldigungen erhob …“
    Der Zweifüßler eilte in das Wohnzimmer, ergriff die Fernbedienung, die neben seinem Sessel lag und wählte einen anderen Kanal. Der Ansager verschwand und wurde durch eine Herzlichkeit ausstrahlende ältere Dame ersetzt, die exzentrisch gekleidet an einem Flügel saß.
    „Als ärrstes heute Morrrgen“, sagte sie mit einem starken slawischen Akzent, „werde ich Morgensterns ‚Tagesanbruch’ spielän …“ Klick. Sie verschwand und an ihre Stelle trat ein junger Mann in einem cremefarbenen Trikot, der auf dem Boden saß und „Gaaanz leicht zurück“, dann „… uuund wieder vooor!“ sagte. Klick.
    „… jetzt die neuesten Nachrichten über den Fall, der ganz Berlin bewegt“, sagte die Stimme eines unsichtbaren Sprechers. Der Zweifüßler holte tief Luft. Auf der Mattscheibe erschien nun das Bild des Zoogeländes, das von den Gehwegen bis zum Hauptgebäude alles zeigte. Von einem plötzlichen Schock erfaßt sah er aus dem Fenster, vorbei an den vereinzelten, nicht einmal neugierigen Gesichtern, die am Gitter standen, und wurde sich plötzlich bewußt, was er sah. Draußen, im frühen Sonnenlicht, ging ein Mann langsam quer über den Rasen. Er trug eine drahtlose Fernsehkamera.
    „Wer nimmt für sich in Anspruch, Martin Naumchik, Reporter des Paris Soir zu sein?“ fragte eine Stimme. Im gleichen Augenblick hämmerte es an der äußeren Tür. Der Zweifüßler wartete unentschlossen, dann eilte er in das Büro. Es war der Wärter mit seinem Karren.
    „Otto! Hast du eine Nachricht für mich?“
    „Keine Nachricht. Iß!“ erwiderte Otto und lud seine Tabletts ab.
    „Wird die Pressekonferenz auch wirklich stattfinden? Sind schon Leute da?“
    „Jede Menge“, erwiderte Otto. „Sie sind pünktlich.“ Er ging wieder.
    Zum Essen verspürte der Zweifüßler keine Lust; er stocherte in seinem Essen herum, nahm ein oder zwei Bissen und gab dann auf, um weiterhin rastlos hin- und herzulaufen. Nach einer gewissen Zeit, die ihm vorkam wie mehrere Stunden, erschien Otto wieder. Emma schaute aus ihrem Zimmer, aber er ignorierte sie und sagte stattdessen: „Sind sie jetzt bereit für mich?“
    „Ja, du kannst kommen“, sagte Otto. Der Zweifüßler glättete sein Fell und folgte ihm.
    In der Galerie und auf dem Korridor standen die Menschen dichtgedrängt. Der Zweifüßler erspähte Prinz, der mit einem gequälten Gesichtsausdruck vorbeiging. Vor dem Speisezimmer sah er Männer mit Kopfhörern, die Tonbandgeräte umgehängt hatten. Ein weißuniformierter Berliner Polizist hielt am Eingang Wache. Otto ignorierte ihn, öffnete die Tür einen Spalt weit und blockierte den Eingang mit seinem Körper. Er sprach mit jemandem, dann schloß er die Tür wieder. „Warte“, erklärte er

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