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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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zweiten leichtverdauliche Geschichtchen, wie sie normalerweise in den Sonntagsbeilagen erschienen (Ein Artikel hatte die Überschrift „Festgehalten im Körper eines Tieres“ und stammte aus der Feder von Carla Ernsting. Er war typisch für diese Kategorie.); und schließlich waren da die großangelegten Illustriertengeschichten, die er mit Überraschung und wachsender Furcht las.
    „Neurotische Humanitätsduselei“, las er in einem Leitartikel in der National-Zeitung, „ist es, die Menschheit auf das Niveau von Tieren zu degradieren. Diese Leute rütteln an den Grundpfeilern unserer Zivilisation! Lassen wir uns nicht übertölpeln: die Besitzer dieser kranken Gehirne würden jeden schleim triefenden Polypen als menschlich anerkennen, jede sauerstoffatmende Kröte, sobald sie nur ein paar Worte deutsch spricht. Dieser Martin Naumchik, ein Mitglied einer lasterhaften, dekadenten Rasse …“
    Der Zweifüßler zerknüllte die Zeitung in einem Wutanfall. Dann stand er auf, umkreiste die Zeitungsstapel und starrte sie dabei an. Schließlich kauerte er sich nieder, glättete die beleidigende Seite und las den Artikel zu Ende. Er war zu bewegt, um weiterarbeiten zu können, also schloß er den Notizblock und starrte durch die Glasscheibe hinaus auf den grauen Herbsttag. Draußen war es kalt und regnerisch geworden, und nur wenige Leute befanden sich noch auf den Wegen.
    Es war ihm unmöglich, die Tatsache, daß die Leute ihm keinen Glauben schenkten, noch länger zu ignorieren. Er konnte sie sogar verstehen. Aber sie mußten einfach einsehen, daß hier etwas Ungewöhnliches vor sich ging!
    Er preßte seine Schnauze gegen das kalte Glas, an dem die Regentropfen langsam herunterglitten. Was würde geschehen, wenn sie ihm nicht glauben würden? Er versuchte sich vorzustellen, wie er in Freiheit leben würde, anerkannt als Martin Naumchik, versehen mit seinen Rechten als Bürger … Und dann? Ihn überkam eine groteske Vision. Er sah einen nackten Zweifüßler im Stadtbüro von Paris Soir, mit Ehrichs sprechend, sich dann selbst eine Party gebend, zwischen vornehm gekleideten Leuten stehend. Das war absurd. Unmöglich. Wohin sollte er sich wenden? Wer würde ihn mit diesem Körper als den akzeptieren, der er war? Wer würde ihm Arbeit geben, wer Unterkunft?
    Stumpfsinnig saß er da, die dreifingrigen Hände ineinandergefaltet und murmelte „Ich bin Martin Naumchik.“ Aber selbst in seinen eigenen Ohren klangen diese Worte bereits wie eine Lüge.
     

IX
     
    Der Zweifüßler erwachte von selbst, sich unruhig umherwälzend und vor sich hinmurmelnd. Er hatte einen sonderbaren Traum gehabt. Irgendetwas war mit seinem Körper geschehen. Sein Gesicht war weich und nachgiebig geworden, seine Glieder steif … das Schreckliche an diesem Traum war, daß alle um ihn herum diese Verwandlung als normal anzusehen schienen. Und er war nicht in der Lage, ihnen zu sagen, was los war.
    Hellwach saß er aufrecht in seinem Bett. Er berührte seine Füße und stocherte in den federigen Haaren herum. Er hatte geträumt, dessen wurde er sich bewußt, von sich selbst geträumt, wie er es vor der Verwandlung oft getan hatte. Er blieb sitzen und dachte nach. Irgendwie fühlte er sich wie ein Betrüger, der insgeheim seinen menschlichen Körper verraten hatte; jenen Körper, der ihm einst so vertraut gewesen war und dessen Existenz ihm jetzt kaum noch real erschien. Es machte ihm zu schaffen, daß seine Gefühle sich so plötzlich gewandelt hatten innerhalb der letzten Wochen. Wenn es bereits so weit mit ihm war … war es dann auch möglich, daß er die Beziehungen zu seiner Vergangenheit ganz verlor?
    Er stand auf und fühlte, daß seine gute Laune mit den gesunden Reflexen seines Körpers zurückkehrte. Es gab keinen Grund, so schwarz zu sehen. Er war er selbst, das war so sicher wie immer. Wie sollte er das je vergessen können? Heute war der Tag seiner Abrechnung mit Grück. Er gähnte nervös, ging in das Wohnzimmer und stellte den Fernseher an. Es war noch etwas zu früh für die Nachrichten, also begnügte er sich damit, aus dem Fenster zu sehen, vorbei an dem Zaun, den die Arbeiter gestern in einer Entfernung von etwa zehn Metern aufgestellt hatten.
    Die Spazierwege, die zwischen den Wiesen hindurchführten, waren noch leer. Lediglich das Rauschen von Vogelschwingen erklang aus der Ferne, dann war es wieder still. Die Zeit verging ihm jetzt so schnell, daß er ängstlich wurde. Zeitweise hatte er damit gerechnet, von Grück noch einmal

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