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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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dem Zweifüßler.
    Wenige Augenblicke später wurde die Tür erneut geöffnet, und das Gesicht eines schwitzenden jungen Mannes erschien, den der Zweifüßler nicht kannte. „In Ordnung, bringen Sie ihn jetzt herein. Dalli, dalli!“
    „Sie haben’s auch ewig eilig, was?“ grummelte Ot to. „Nun geh’ schon.“ Er gab dem Zweifüßler einen Schubs. Der schwitzende Mann nahm seinen Arm. „Geh’ schon. Laß sie nicht warten.“
    Inmitten einer Gruppe erblickte der Zweifüßler die kräftige Gestalt Grücks, der hinter einem Tisch stand. „Und jetzt“, sagte er mit nervöser Stimme, „präsentiere ich Ihnen Fritz – den Zweifüßler!“ Der Zweifüßler stand steif in der einsetzenden Stille. Der große Raum war angefüllt mit Menschen. Einige trugen Fotoapparate, andere saßen an den Tischen, die kreisförmig angeordnet worden waren. Grück musterte den Zweifüßler mit einem unsicheren Blick.
    „Erzähle den Herrschaften deine Geschichte, Fritz. Oder soll ich lieber Herr Naumchik zu dir sagen?“ Er deutete eine Verbeugung an und zog sich zurück. Als der Zweifüßler sich mit einem unbeabsichtigt lauten Ton räusperte, rief dies eine Welle des Gelächters hervor. Ängstlich und verärgert lehnte er sich nach vorn und griff nach der Tischkante.
    „Mein Name ist Martin Naumchik“, begann er mit lauter Stimme. Jedes Geräusch verstummte, so daß er die respektvolle Aufmerksamkeit des Publikums fühlen konnte. Er fühlte sich sofort sicherer und erklärte seine Geschichte genau und in allen Einzelheiten. Sie begann an jenem Tag, an dem er den jungen Mann mit der Kamera außerhalb des Käfigs gesehen hatte. Während des Erzählens versuchte er unter den Anwesenden bekannte Gesichter zu entdecken, aber man hatte die Scheinwerfer so aufgestellt, daß er nur die Konturen der ihn umgebenden Journalisten ausmachen konnte. Als er geendet hatte, war es einen Augenblick still. Dann wuchs raschelnd ein Wald von Händen vor ihm in die Höhe.
    „Sie dort“, sagte der Zweifüßler fest und sah hilflos in den Raum. Eine Frau erhob sich. „Wer hat dir das alles beigebracht?“ Sie hatte ein scharfgeschnittenes Gesicht und glitzernde Augen. Leises Protestgemurmel kam auf.
    „Niemand“, erwiderte der Zweifüßler standhaft. „Der Nächste! Ja, Sie, mein Herr!“
    „Sie behaupten, im Jahre 1999 an der Sorbonne ein Examen gemacht zu haben. Können Sie mir sagen, wer seinerzeit der Leiter der Germanistischen Fakultät dort war?“
    „Ein Herr Winkler.“ Die Antwort kam ohne Zögern. Er zeigte auf einen anderen Fragesteller. „Wer war Ihr Vorgesetzter, als Sie bei Paris Soir gearbeitet haben?“
    „Claude Ehrichs.“
    Die meisten der gestellten Fragen waren dieselben wie die, die er bereits bei vorhergehenden Interviews beantwortet hatte. Das Wiederholen der gleichen Antworten, immer und immer wieder, versetzten ihn in einen entmutigten Zustand. Wann würde das endlich ein Ende haben? Aber die Reaktion der Anwesenden gab ihm immer wieder neuen Mut. Sie lauschten respektvoll, aufmerksam, manche sogar freundlich. Ein großer, rotbärtiger Mann erhob sich.
    „Mich würde folgendes interessieren, Herr Naumchik: Wie erklären Sie sich selbst diese unglaubliche Geschichte?“
    „Ich habe keine Erklärung“, erwiderte der Zweifüßler ernst, „aber ich spreche die Wahrheit.“ Es gab ein Gemurmel, das von Sympathie zeugte, als der Reporter sich wieder setzte. Der Zweifüßler setzte zum Weitersprechen an, aber er wurde von Grücks zuckersüßer Stimme unterbrochen, noch ehe er ein Wort gesagt hat te. „Unsere kleine Fragestunde ist nun beendet. Vielen Dank, meine Damen und Herren.“ Er drängte sich nach vorne, gefolgt von zwei Wärtern, die die Arme des Zweifüßlers ergriffen und ihn hinauszuführen begannen. Nachdem die erste Überraschung verklungen war, begann er Widerstand zu leisten. „Ich bin noch nicht fertig!“ schrie er. „Ich appelliere an Sie: sorgen Sie dafür, daß ich freigelassen werde!“
    Trotz seiner Bemühungen zerrten die Wärter ihn weiter. „Setzen Sie sich für mich ein! Holen Sie mich hier heraus! Ich bin Martin Naumchik!“
    Jetzt waren sie an der Tür. Das Publikum murmelte ärgerlich. Es erklangen Rufe wie „So eine Schande!“ und „Bringen Sie ihn zurück!“. Über den wachsenden Aufruhr hinweg hörte man Grück rufen: „Einen Moment bitte, meine Damen und Herren! Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit! Einen Augenblick, bitte!“ Die Wärter brachten den Zweifüßler nach draußen

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