Zweibeiner sehen dich an
interessierte, die beweisen konnten, daß sein Gegenüber tatsächlich mit Naumchik identisch war.
Mit der gleichen Gründlichkeit, mit der er das Gespräch geführt hatte, schloß er es ab. Als er das Aufnahmegerät abstellte und es einzupacken begann, beobachtete ihn der Zweifüßler mit wachsendem Respekt.
„Ich bin Ihnen für Ihre Bemühungen sehr dankbar“, sagte er schließlich. „Ich vermute, daß Sie ein Freund von Tassen sind, dem Mann, der die erste Geschichte über mich publizierte?“
„Tassen? Ja, ich kenne ihn“, erwiderte Opatescu und schloß eilig seine Aktentasche. „Er hat einige ganz ordentliche Sachen geschrieben. Sie werden es sehen, wenn Sie erst mal draußen sind.“
Der Zweifüßler befeuchtete seine steifen Lippen. „Ich nehme an, daß Sie selbst nicht wissen, wann …“
„Wann das sein wird? Es wird bestimmt nicht mehr lange dauern. Wir werden eine Pressekonferenz geben, eine große diesmal. Für die Zeitungen und das Fernsehen. Danach wird man Sie nicht mehr festhalten können, dafür sorgt schon die Öffentlichkeit. – Mein lieber Naumchik, es war mir eine Ehre.“ Er hielt ihm seine fleischige Hand entgegen.
„Ganz meinerseits, Herr Opatescu. Nebenbei: für welche Zeitung arbeiten Sie?“
„Für die Prawda .“ Opatescu sah auf seine Uhr, nahm seine Aktentasche vom Tisch und wandte sich zum Gehen.
„Kennen Sie zufällig Kyrill Reschewskij, den …“
„Sicher. – Aber lassen Sie uns darüber ein anderes Mal sprechen.“ Er grinste und entblößte strahlend weiße Zähne. „Ich muß bis zum Redaktionsschluß zurück sein, Sie verstehen? Auf Wiedersehen, Herr Naumchik. Haben Sie Geduld.“ Er ging, immer noch lächelnd, hinaus. Der Wärter Otto erschien sofort, um den Zweifüßler wegzubringen. Obwohl er normalerweise nicht mehr redete, als er mußte, sprach er auf dem Weg zum Käfig.
„Nun werden sie dich bald ’rauslassen, was?“
„Es scheint so“, erwiderte der Zweifüßler freudig.
„Tsk, tsk“, machte Otto kopfschüttelnd. „Was wird wohl als nächstes auf uns zukommen?“
In den nächsten beiden Tagen war es dem Zweifüßler unmöglich, länger als fünf Minuten ruhig zu sitzen oder zu lesen. Er hatte den Fernsehapparat ständig eingeschaltet, um die stündlichen Nachrichten nicht zu verpassen. Einmal, ganz früh am Morgen, hatte der Sprecher ihn erwähnt. Er war auch kurz auf dem Bildschirm zu sehen gewesen. Offensichtlich hatte man das Bild an jenem Tag aufgenommen, an dem er in Berlin angekommen war. Aber danach kam nichts mehr über ihn.
Zwischen den Nachrichten verbrachte er die Zeit damit, im Büro auf und ab zu gehen, was Emma derart verschreckte, daß sie es nicht mehr wagte, den Kopf aus ihrem Zimmer zu stecken. Sie hatte sich mehrmals gezeigt, aber jedesmal hatte sie eine Geste oder Ausruf seinerseits in ihren Raum zurückgetrieben. Auch der Telefonistin ließ er keine Ruhe. Er rief sie tagsüber alle paar Minuten an und verlangte Grück, Prinz oder jemand anders zu sprechen. Am Nachmittag des zweiten Tages hatte man seine Leitung unterbrochen.
Kurz nachdem er das entdeckt hatte, trat Otto ein, der ein Bündel Zeitungen und Zeitschriften auf seinem Karren hereintransportierte. „Man hat dir diese Sachen geschickt“, sagte er, den Stapel auf den Schreibtisch legend. „Lies – und stör’ nicht immer Fräulein Müller.“ Dann ging er wieder.
Der Zweifüßler vergaß ihn sofort. Er ergriff die oberste Zeitung – es war die Frankfurter Rundschau – und blätterte sie mit zitternden Fingern durch, bis er eine Spalte mit der Überschrift ‚SELTSAME AUSSAGEN EINES ZWEIFÜSSLERS’ fand. Er las die Geschichte begierig, obwohl sie offensichtlich nicht mehr beinhaltete als das, was er damals Tassen erzählt hatte. Er zügelte seine Ungeduld und begann, die Zeitungen nach ihrem Erscheinungsdatum zu sortieren. Als er sie auf den Boden stapelte, fand er zwischen zwei Zeitschriften einen Hefter und eine Schere.
Nun saß er auf dem Fußboden – seine ehemaligen Beine waren niemals so gelenkig gewesen – und begann, sorgfaltig die Artikel, die ihn betrafen, herauszuschneiden und sie auf die gummierten Blätter des Notizblocks zu kleben. Die restlichen Zeitungen legte er beiseite, um sie später zu lesen. Bereits während der Arbeit stellte der Zweifüßler fest, daß man die erschienenen Artikel in drei Kategorien aufteilen konnte: in der ersten war alles recht kurz und sehr nüchtern gehalten wie in der Frankfurter Rundschau; in der
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