Zweibeiner sehen dich an
flackerte, dann verschwand das Bild und der Zweifüßler schlug blindlings mit der Faust auf einen Kontrollknopf, der das Bild völlig erlöschen ließ.
„Ssssss! Fritz, der Lügner! Ssss!“ riefen Stimmen von draußen.
Der Lärm im Vogelhaus verstärkte sich im gleichen Augenblick, in dem Wenzel es betrat. Die Tukane öffneten ihre gigantischen Schnäbel, flatterten und kreischten. Die Luft war voll mit flatternden Vögeln, vorbeihuschenden roten, blauen und gelben Schwanzfedern. Papageien stiegen rauschend auf, stießen gegen die Gitter ihrer hölzernen Käfige, schienen gegen unsichtbare Wände zu prallen und schrien, Waak! Waak!’
Wenzel ging an ihnen vorbei. Sein Gesicht glich dem des Haifischs, der durch die grünen Korridore des Vogelhauses schwamm. Am anderen Ende des Gebäudes standen zwei Wärter. Hier war alles in Ordnung. Wenzel ging hinaus, bahnte sich einen Weg durch die Besucher und ging zum Affenhaus hinüber.
Schreie und Gittergerassel begrüßte ihn, als er eintrat. Kapuzineraffen hüpften umher – einer auf dem Rücken des anderen – und kamen an die Gitter, um ihre scharfen, gelben Zähne zu zeigen, wobei sie kreischten, so laut es ihre kleinen Lungen vermochten.
Esel kamen aus ihren blockhüttenähnlichen Ställen, glitzernd vor Schweiß. Hugo, der Pavian, rannte gegen ein Gitter, daß es krachte. Wenzel ging an einer Reihe von Käfigen vorbei, aufmerksam und ruhig. Im Reptilienhaus war ebenfalls alles ruhig. Die Galapagos-Schildkröte, groß wie ein Wagenrad, zermahlte langsam einen Salatkopf mit ihren grausamen Backenknochen. Die Boa Constrictor hatte sich lässig um einen exotischen Stamm gerollt. In dem Flutlichtkäfig hing die Grasschlange wie eine Girlande. Ihr kleiner Kopf bewegte sich auf Wenzel zu und sie streckte ihre rosa Zunge heraus. Wenzel blieb stehen und freute sich. Dann eilte er weiter. In der Säugetierabteilung hatte sich eine Menschenmenge um ein Rhinozeros versammelt, dem Prinz eben eine Spritze verabreichte. Als er fertig war, kletterte er über das Gatter und wischte sich, auf Wenzel zukommend, mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
„Hatten Sie Erfolg?“ fragte Wenzel.
„Ich glaube schon“, erwiderte Prinz mit seiner weichen, unverbindlich klingenden Stimme. „Es wird ihm bald besser gehen.“ Sie verließen gemeinsam das Gebäude, wandten sich dann nach rechts und gingen durch eine Tür, auf deren Frontseite ‚Kein Eintritt’ stand. Ein schlanker Wärter mit blonden Haaren eilte ihnen entgegen. Er trug einen Eimer mit Fischen.
„Warum sind Sie nicht beim Füttern der Seelöwen, Schild?“ fragte Wenzel.
„Ich bin auf dem Weg, Herr Wenzel.“
„Worauf warten Sie dann noch? Gehen Sie schon!“
„Sofort, Herr Wenzel.“
Als Wenzel neben Prinz herging, entnahm er seiner Jackentasche ein Notizbuch und notierte sich die Unpünktlichkeit des Mannes. Prinz beobachtete ihn bei seiner Tätigkeit mit dem sanften Blick seiner braunen Augen, sagte aber nichts.
„Haben Sie schon die Zeitung gesehen?“ fragte er Wenzel, als sie in den Aufzug stiegen. „Ja.“ Sie stiegen aus. Wenzel zögerte, dann folgte er Prinz in den Waschraum.
„Welche meinten Sie denn?“ fragte er. Prinz sah überrascht auf und trat einen Schritt von dem Waschbecken zurück. „Dort auf dem Tisch liegt sie. Der „Express“. Auf der dritten Seite können Sie die Geschichte über ein Baby aus Buenos Aires lesen, das französisch, spanisch und deutsch versteht. Es ist drei Monate alt.“
„Hm.“
„Das Seltsamste aber – und das erregte erst meine Aufmerksamkeit – ist …“
„Handelt es sich um das Kind, dessen französisches Kindermädchen gleichzeitig einen Anfall von Gedächtnisschwund hatte?“ fragte Wenzel sarkastisch. „Sie versteht nicht mehr, was man ihr sagt, muß gefüttert werden und gibt nur mehr kindische Laute von sich, während das Kind französisch, deutsch und spanisch versteht.“
„Sie haben die Zeitung schon gelesen?“ fragte Prinz erstaunt.
„Und Sie? Haben Sie auch diesen Artikel im Tageblatt gelesen?“ entgegnete Wenzel fast widerwillig. Er zog eine zusammengefaltete Zeitung aus seiner Brusttasche.
„Auf Tasmanien behaupten ein Mann und eine Frau jeweils der andere zu sein.“
„Im Fernsehen habe ich gehört, daß sich während einer Grundsteinlegung in Aberdeen der Bürgermeister angeblich in ein nacktes Mädchen verwandelt hat und weinend weglief“, fügte Prinz hinzu. „– Aber wer weiß schon, was diese
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