Zweifel in Worten
... es tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken.“
„Nein, nein, schon gut“, wiederholte Frank und fragte sich, ob das stimmte. Er nahm Midhen den Zettel ab und sah darauf. „Okay, dann also erst einmal hier entlang.“
Er ging voraus und zeigte auf dem Weg zu den Hinweisschildern, damit Midhen sich demnächst auch allein orientieren konnte. Die ‚Adressen‘, die zu den Büchern führten, waren sehr eindeutig und benutzerfreundlich gehalten.
„Hier haben wir die meisten aus Ihrer Liste.“ Frank deutete auf ein Regalfach und lächelte. Immerhin, das ging mittlerweile wieder.
Wieso er auf diese doch freundliche Nähe so reagiert hatte, war ihm noch immer nicht klar. Konnte es wirklich sein, dass diese Sache ihm so nachhing? In Gedanken versunken stand er daneben, während Midhen sich die Bücher herausnahm, kurz auf den Klappentext und hinein sah und sie bei Gefallen auf einem kleinen Bord vor dem Regal ablegte.
Es stimmte schon … seitdem hatte er keinen Sex mehr mit irgendjemandem gehabt.
Ein Schauder durchlief ihn, als die Bilder und die Schmerzen kurzzeitig zurückkehrten. Er musste das vergessen! Ein für alle Mal.
„Ich habe alles, glaube ich. Wo ist das andere Regal?“ Midhens Stimme, die weich und freundlich klang, riss ihn endgültig zurück in die Wirklichkeit.
„Hier entlang“, sagte er und ging neben dem blonden Mann durch die Regalreihen und zu den Treppen. Sie mussten ein Stockwerk höher, dann nach rechts.
„Ich bin echt gespannt, ob ich überhaupt selbst zum Lesen kommen werde“, murmelte Midhen vor sich hin.
Frank sah erstaunt zu ihm. „Wieso das?“
„Ich könnte mir vorstellen, dass mein überarbeiteter Boss mir das eine oder andere davon zum Lesen mopsen wird.“ Er kicherte und es klang so herrlich jungenhaft, dass Frank mitlachte.
„Ihr Boss sieht, was Sie lesen?“
„Ja, zwangsläufig, ich bin ja sein Bodyguard ...“
„Und als solcher teilen Sie Ihre Lektüre mit ihm?“, fragte Frank irritiert.
Midhen lachte laut auf und sah sich erschrocken um. „Nein, er ist auch mein Lebensgefährte.“
„Oh!“, machte Frank und grinste. „Na, das klingt nachvollziehbar. Und es erklärt ihr deutliches Interesse an homosexueller Literatur.“ Und ganz nebenbei ließ es jegliches Interesse an diesem Blondschopf endgültig verglimmen.
„Ich wusste ja, dass es einige Klassiker gibt, meistens nicht mal mehr im regulären Handel zu bekommen, aber dass es so viel Neues gibt ... Das haut mich echt um.“
„Die meisten davon kann ich empfehlen. Haben Sie sonst noch Fragen?“
Midhen musterte ihn einige endlos lange Sekunden schweigend und so gründlich, dass Frank sich geradezu durchleuchtet fühlte. „Einige, aber es wäre nicht richtig, auch nur eine davon zu stellen.“
„Hm“, machte Frank etwas ratlos. Das klang so vieldeutig, dass es ihm unangenehm war. „Klingt danach, als ginge es nicht mehr um Bücher.“
Der Hüne presste die Lippen aufeinander, dann lächelte er schief. „Stimmt.“
Der Gong, der die baldige Schließung der Bibliothek verkündete, erklang und unterbrach jede weitere Vertiefung dieses Gesprächs. Frank staunte, wie viel Zeit sie hier verbracht hatten und lächelte entschuldigend, während er in Richtung Ausgang deutete. „Wir müssen dann wohl.“
„Ja, ich habe Sie ganz schön lange aufgehalten. Kam mir nicht so vor!“
Sie gingen zur Treppe, durch die Lesehalle und zur Buchausgabe. Midhen zückte seine nagelneue Mitgliedskarte und reichte sie Frank, der sich an seine Kollegin wandte, die eben den letzten Kunden abgefertigt hatte.
„Ich mach schnell, Katja, schönen Feierabend!“
„Ja, Frank, dir auch. Und wehe, du machst keine Fotos von deiner neuen Leseecke!“
Er grinste. Das hatte er ihr heute Morgen erzählt und an seinem Plan hatte sich nichts geändert. „Nein, nein, versprochen ist versprochen. Ich werde am Montag Bilder mitbringen.“
„Ich hab Montag frei, also sorg dafür, dass ich sie am Dienstag sehen kann!“, rief sie noch einmal, bevor sie durch die weiße Tür in den administrativen Bereich der Bibliothek wechselte, in dem sich auch sein Büro befand.
„Leseecke?“, erkundigte sich Midhen und klang neugierig. Frank scannte alle Bücher und nickte.
„Ich habe in meinem Wohnzimmer eine für Herbst und Winter, und bisher hatte ich noch keinen Nerv, meine Dachterrasse ebenfalls einzurichten. Das werde ich gleich nachholen. Mit Blumen, Sonnenliege und einem hoffentlich sehr grünen
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