Zweifel in Worten
jetzt gern die High Fantasy durchsuchen wollen, gibt es dort ein weiteres Unterverzeichnis mit den Richtungen.“
Doch Midhens Mauszeiger wanderte weiter zu Urban Fantasy und klickte dort. Frank sah gespannt dabei zu und schwieg, denn hier gab es neben Love, Crime, Classic und Parallelwelt auch ein Verzeichnis mit den Romanen, die er selbst in diesem Genre am liebsten las: Homosexuell.
Midhen klickte es mit einem erstaunten Geräusch an und sah zu Frank hoch. „Es gibt tatsächlich schwule Fantasy? Ich bin echt nicht mehr auf dem Laufenden!“, befand er dann.
Frank nickte. „Klar, sogar einige ganz gute. Aufgrund der oft recht expliziten Darstellung von Geschlechtsverkehr muss ich diese alle von Anfang bis Ende lesen, um zu entscheiden, in welcher Abteilung sie ausgestellt werden dürfen.“
„Oh, Sie sind also dafür zuständig, über Neuzugänge zu entscheiden?“
„Ja. Das ist mein Job hier.“
„Das stelle ich mir sehr spannend vor. Wobei ... ich könnte mir vorstellen, dass es weniger spannend ist, wenn man über Dinge lesen muss, die man selbst nicht unbedingt bevorzugen würde ...“
„Sie meinen, ein heterosexueller Germanist kann nicht ohne Würgereiz Bücher über homosexuelle Liebespaare lesen?“ Frank war nicht bereit, seine eigene Orientierung zu outen. Wozu auch, das war hier doch gar nicht das Thema.
„So in etwa.“
Frank lachte. „Um es klar zu sagen, die Hauptzielgruppe dieser Literatur sind Frauen. Ja, wenn man es sich genauer ansieht, stecken hinter vielen männlichen Pseudonymen sogar weibliche Autoren und viele schreiben auch ganz offen als Frauen diese Geschichten.“
Wieder warf Midhen ihm einen erstaunten Blick zu. „Ist das Ihr Ernst? Wieso lesen Frauen denn ...?“ Er senkte die Stimme und grinste kopfschüttelnd. „Unfassbar. Ich dachte immer, die stehen auf glitzernde Elfen und Vampire mit scharfen Beißerchen.“
„Auch, aber eben nicht nur. Aber Sie können sich ja hier ganz leicht selbst ein Bild von den Texten machen.“
„Hm, ich glaube, wenn ich was Schwules lesen will, dann lieber ohne Fantasy. Gibt’s da etwas Empfehlenswertes?“
Frank nickte. „Sicher. Sogar deutlich mehr als im Fantasybereich. Wenn Sie auf Drama klicken, finden Sie eine Menge, unter Liebesromanen ebenso, aber tatsächlich sind alle Bücher, in denen homosexuelle Pärchen eine Rolle spielen, extra als solche getaggt . Einfach den Suchbegriff ‚homosexuell‘ eingeben und schon tauchen alle verfügbaren Titel auf. Aber Sie suchten doch Fantasy?“
Frank dachte darüber nach, dass dieser Sam, dessen angenehmen Geruch er noch immer deutlich in der Nase hatte, tatsächlich verflucht gut in sein Beuteschema passte.
„Ich hatte ja auch keine Ahnung, dass es hier Gay-Romanzen zu lesen gibt! Das finde ich wirklich interessant“, erwiderte er.
„Soll ich Sie vielleicht lieber allein lassen?“, bot Frank an. Immerhin wäre es ja möglich, dass Midhen seine Suche ohne einen Zuschauer fortsetzen wollte.
„Oh, nein, alles gut! Das heißt ... wenn Sie noch so viel Zeit haben ...“ Wieder traf der hellblaue Blick ihn und Frank schluckte. Wenn er jetzt noch mal so lächelt wie vorhin, suche ich mir nachher seine Telefonnummer raus , dachte er.
„Ja, habe ich“, sagte er und sah auf seine Uhr. „Heute ist sowieso ein Ausnahmetag und ich kann bis zum Feierabend dafür sorgen, dass Sie hier mit genau den Büchern hinausgehen, die Sie lesen wollen.“
Da war es, das umwerfende Lächeln. Frank erwiderte es, bevor er darüber nachdenken konnte. Er wanderte zum nächstgelegenen Regal und überflog die Buchrücken, sortierte ein paar Titel wieder in die richtige Reihenfolge und fuhr erschrocken zusammen, als Midhens Stimme viel zu dicht hinter ihm erklang.
„Ich glaube, ich habe alles“, sagte er und hielt einen kleinen Notizzettel hoch, während Frank zu ihm herumfuhr. Midhens Gesicht war nur zwei handbreit von seinem entfernt.
Diese Nähe wäre Frank früher nicht unangenehm gewesen, aber sie kam zu überraschend und nach seiner Flucht aus Köln erinnerte ihn diese Situation zu stark an das, was damals passiert war.
Hastig wich er zurück und prallte natürlich mit den Schulterblättern gegen das Regal. Auch wenn es ihm enorm peinlich war, trat Midhen mit einem erstaunten Gesichtsausdruck von ihm weg.
„Alles in Ordnung?“
Frank nickte hastig und schaffte es endlich, das sichtbare Zittern zu unterdrücken. Er schluckte hart und brachte ein „Schon gut“ über die Lippen.
„Das
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