Zweifel
als die Sanitäter die Trage die Treppen hinunter schleppten. Sam folgte ihnen. Er stand hinter dem Krankenwagen und beobachtete, wie Bo eingeladen wurde. Die Sanitäterin kletterte zu ihm, während ihr Kollege nach vorne zum Fahrersitz eilte.
»Wir bringen ihn ins Mobile General Hospital«, informierte ihn der Mann, als er sich hinters Steuer klemmte. »Die Notaufnahme des Krankenhauses befindet sich auf der Rückseite des Gebäudes, folgen Sie einfach nur den Schildern. Sie wissen, wie Sie hinkommen?«
»Ja«, antwortete David mit verdächtig feuchten Augen. »Bringen Sie ihn einfach so schnell wie möglich hin und kümmern Sie sich um ihn. Wir kommen sofort nach.«
Als Sam sah, wie der Krankenwagen davon fuhr, überwältigte ihn beinahe das Gefühl ohnmächtiger Hilflosigkeit. Er schrak zusammen, als Deans Hand plötzlich in seine glitt.
»Los, in den SUV mit dir, Sam«, sagte Dean sanft. »Du fährst mit Andre und David zum Krankenhaus.«
Sam protestierte nicht, als Dean ihn zum Geländewagen führte und ihm die Tür öffnete. »Was ist mit Cecile und dir?«
»Wir sammeln das Ding ein und bringen es zu Deans Freundin.« Cecile schenkte ihm ein Lächeln unter Tränen. »Wir kommen nach, sobald das erledigt ist.«
»Okay.« Sam drückte Deans Hand, als Andre und David auf den Vordersitz kletterten und Andre das Steuer übernahm. »Wir sehen uns dort. Seid vorsichtig.«
Dean nickte, ließ Sams Hand los und warf die Tür zu. Sam schloss die Augen und lehnte seine Stirn gegen das Fenster. Sein Herzschlag hallte in seinen Ohren und übertönte das leise Gespräch der anderen.
‚Bitte lass ihn gesund werden. Ich kann ihn nicht verlieren. Nicht jetzt. Nicht so‘ .
Als Sam die Augen öffnete, sah er die Stadt an sich vorbeiziehen und fragte sich, ob irgendjemand ihm zuhörte.
***
Drei Stunden später saß Sam zusammengerollt in einem Stuhl im Warteraum vor dem Operationsbereich des Mobile General Hospital und starrte durch die getönte Fensterscheibe in den eingezäunten Park hinaus. Die Wintersonne bahnte sich ihren Weg durch die nackten Zweige der Bäume und vergoldete die weiße Statue eines Engels, die in der Mitte der Grünflächen stand. Es war so ein friedlicher Ort. Sam wünschte sich, dass ein Teil dieses Friedens nicht nur durch die Fensterscheibe sickern würde, sondern auch in seinen Geist.
Er hob den Blick als David herübergeschlurft kam, in der Hand zwei Becher Kaffee aus dem Automaten in der Eingangshalle.
»Hier, für dich«, sagte David und schob ihm einen dampfenden Styroporbecher in die Hände. »Einmal extra groß und extra stark. Schon was gehört?«
»Danke.« Sam hielt sich den Becher unter die Nase und atmete den Duft des heißen Espressos tief ein. »Gar nichts bis jetzt.«
»Dachte ich mir schon.« Mit einem tiefen Seufzer ließ David sich in den Stuhl neben Sam fallen. »Was ist mit Dean und Cecile? Haben die sich schon gemeldet?«
»Ich hab‘ Cecile gerade angerufen«, antwortete Andre und schob sein Handy zurück in die Hosentasche. »Auf dem Airport Boulevard gab es einen Unfall und jetzt stecken sie im Stau.«
»Oh, verdammt.« David ließ sich in den Stuhl zurücksinken und nahm einen Schluck aus seinem Kaffeebecher. »Haben sie die Telefonnummer von Janines Eltern schon gefunden?«
»Nein. Im Büro war sie nicht.« Andre seufzte. »Vermutlich hat Bo die Nummer bei sich zu Hause oder vielleicht auch nur im Kopf.«
»Wir fragen Bo sobald er wach ist«, sagte Sam dumpf und starrte auf den Plastikdeckel seines Kaffeebechers.
Weder David noch Andre erwiderten etwas, doch Sam konnte ihr Unbehagen deutlich spüren. Er wusste, was sie dachten – was, wenn Bo nicht mehr erwachte? Sam erlaubte sich nicht, diesen Gedanken zu Ende zu führen.
Als sie im Krankenhaus angekommen waren, hatten sie erfahren, dass Bo sofort in den OP gebracht worden war, aber niemand sagte ihnen warum. Der einzige Grund, warum die Oberschwester überhaupt damit einverstanden war, sie nach der Operation mit dem Arzt sprechen zu lassen, war die Tatsache, dass sich Janine – laut Gesetz Bos nächste Verwandte – außerhalb der Stadt aufhielt und niemand wusste, wie man sie erreichen konnte. Als David sich darüber gewundert hatte, warum niemand Bo nach ihr gefragt hatte, war er darüber informiert worden, dass Bo im Rettungswagen bewusstlos geworden war.
Noch nie in seinem ganzen Leben hatte Sam sich dermaßen hilflos gefühlt. Im Laufe der letzten Stunden war das Gefühl nicht besser geworden.
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