Zweifel
Während er seine Position im Stuhl veränderte, trank Sam einen Schluck Kaffe, ohne ihn wirklich zu schmecken.
Die Tür zum Warteraum schwang auf und ein großer, dünner Mann in blauer OP-Kleidung trat ein. Sam und die anderen im Raum blickten auf.
Stirnrunzelnd hielt der Mann im blauen Kittel einen Zettel in der Hand. »Mr. Meloy? Mr. Andre Meloy?«
Andres Augen weiteten sich, während er einen Blick mit David und Sam wechselte. Er sprang auf die Füße. »Ich bin Andre Meloy.«
Der Mann antwortete mit einem knappen Nicken. »Ich bin Dr. Shore. Wir haben gerade Dr. Broussards Operation beendet. Er ist im Augenblick stabil und es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Er wird gleich auf die Intensivstation gebracht.«
»Was für eine Operation wurde denn durchgeführt?«, fragte Andre. »Keiner wollte uns etwas Genaues sagen, weil wir nicht mit Bo verwandt sind.«
»Seine Frau ist zu Hause bei ihren Eltern«, fügte David hinzu. »Keiner von uns hat deren Nummer oder Janines Handynummer. Freunde von uns versuchen gerade, die Kontaktinfos herauszufinden, hatten aber bisher kein Glück.«
Dr. Shore hob die Augenbrauen. »In Ordnung. Ich kann sie gerne anrufen, sobald Sie die Nummer aufgetrieben haben.«
»Können Sie uns bis dahin nicht schon etwas sagen?« Sam gab sich einen mentalen Schulterklopfer, weil er so viel ruhiger klang, als er sich fühlte.
»Ihr Freund hat Mr. Meloy als seinen Notfallkontakt angegeben, also denke ich, dass es in Ordnung geht.« Der Arzt ließ sich auf der Kante eines leeren Stuhls nieder und senkte die Stimme.
»Dr. Broussards Wunde hatte schon einen Abszess entwickelt, als er hier angekommen ist. Er hatte 40,5 Grad Fieber und sein Blutdruck war gefährlich niedrig. Wir haben ihn sofort in den OP gebracht, um die Wunde zu reinigen. Der Abszess wurde vollständig entfernt und wir haben die komplette Wundhöhle mit einer Antibiotika-Lösung ausgewaschen, bevor sie wieder verschlossen wurde. Glücklicherweise befand sich der Abszess nahe der Oberfläche, wahrscheinlich deshalb, weil die Wunde nur aus mehren parallelen Kratzern bestand und nicht aus tiefen Stichen. Die Kratzer waren nur etwas mehr als einen Zentimeter tief und der Abszess ging nicht viel weiter als das.«
David schluckte, er sah ein wenig grün um die Nase aus. »Also geht es ihm besser? Er wird wieder gesund?«
Dr. Shore blickte sie alle ernst an. »Normalerweise würde ich diese Frage definitiv bejahen. Er ist jung und gesund, hat keinerlei chronische gesundheitliche Probleme oder Krankheiten, die das Immunsystem schwächen. Unter normalen Umständen würde er sich schon bald wieder vollständig erholen.«
»Aber?« Sam war sich nicht sicher, ob er die Antwort darauf hören wollte, aber er musste einfach fragen.
»Aber dies sind keine normalen Umstände. Diese Infektion ähnelt keiner, die ich bislang je irgendwo gesehen habe. Mir wurde berichtet, dass Ihr Freund bereits an Ort und Stelle die ersten Anzeichen einer Entzündung entwickelte, nachdem dieses nicht identifizierte Tier ihn gebissen hat. Als er dann kaum eine halbe Stunde später hier ankam, befand er sich bereits im septischen Schock. Kein uns bekannter, infektiöser Organismus verursacht mit derartiger Geschwindigkeit eine Blutvergiftung. Wir untersuchen gerade das Blut des Patienten, um herauszufinden, ob wir den Organismus isolieren und identifizieren können. Außerdem versorgen wir ihn mit Breitbandantibiotika in dem Versuch, die Stämme zu vernichten. Aber mit größter Wahrscheinlichkeit haben wir es hier mit einem oder mehreren unbekannten Organismen zu tun und das bedeutet, dass ich nicht vorhersagen kann, wie es weitergeht.«
Sam wollte schreien, doch seine Kehle schmerzte und war wie zugeschnürt, so dass er kein einziges Wort herausbrachte. Er starrte auf seine Füße und hoffte, dass seine Umwelt die Wut und Verzweiflung in seinem Gesicht nicht sehen konnte.
»Können wir ihn sehen?« Davids Stimme zitterte. »Sie sagten doch, dass er stabil ist.«
»Das ist er. Er ist im Aufwachraum zu sich gekommen und konnte uns sowohl seinen Namen als auch das Jahr sagen, er war sich nur nicht ganz sicher, wo er sich gerade befindet.« Dr. Shore lächelte. »Er hat nach Ihnen allen gefragt. Er wollte wissen, ob es Ihnen gut geht.«
Andre stieß ein erleichtertes Lachen aus. »Ja, das klingt nach Bo.«
»Bleiben Sie hier und die Intensivstation wird Sie anrufen, sobald sich Dr. Broussard in seinem Zimmer befindet. Da er gerade eine Operation
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