Zweiherz
zerklüfteten roten Geröllfelsen. Der Kontrast des grünen Rasens zur trockenen roten Erde und den Felsen wirkte unnatürlich und beinahe grotesk. So etwas hatte Kaye sonst nur in Page gesehen, wo man inmitten der roten Steinwüste einen Golfplatz für reiche Urlauber angelegt hatte.
Kaye parkte ihren Wagen neben den anderen vor dem Haus. Sie ging hinein und wurde von gut gelaunten jungen Leuten fröhlich begrüßt. Roberts Gäste waren weiße und indianische Jugendliche, wobei die Navajos offensichtlich in der Minderzahl waren. Kaye kannte sie alle, die meisten stammten aus den umliegenden Ortschaften und waren mit ihr in Fort Defiance zusammen zur Schule gegangen.
Sie überreichte Robert sein Geschenk und er packte es gleich aus. Es war ein Bolo Tie, der Krawattenersatz des Südwestens. Ein handgeflochtenes schwarzes Lederband mit silbernen Enden und einem Schieber aus Sterling-Silber in Form eines Adlers. Kaye wusste, dass Robert nach dem Sommer weggehen würde, und er sollte eine Erinnerung an sie besitzen. Das Stück war wertvoll und sehr schön. Großvater Sam hatte es gemacht.
Robert, ein drahtiger Junge mit kinnlangem braunen Haar, umarmte sie und sagte: »Das ist schön - und du bist ziemlich verrückt, mir so etwas Wertvolles zu schenken.«
»Wenn du es trägst, dann denk an mich. Und denk an dein Zuhause«, sagte sie lächelnd.
Robert nickte und legte es gleich um. Kaye half ihm, bis das Schmuckstück saß und seinen Hemdkragen perfekt abschloss.
»Warum hast du eigentlich deinen Freund nicht mitgebracht?«, fragte Robert beiläufig, während er sich im Spiegel bewunderte.
Sie sah ihn entgeistert an, aber sein Gesicht war voller Aufrichtigkeit. Schon wollte Kaye etwas erwidern, da kam Shelley in die Diele gestürmt und umarmte sie überschwänglich und kicherte.
»Du siehst toll aus, Kaye. Schade, dass du deinen Will nicht mitgebracht hast, ich hätte ihn gerne kennengelernt.«
Shelley hielt ihre Liebe zu diesem Indianer, der im Gefängnis gesessen hatte, für romantische Schwärmerei, das wusste Kaye genau. Shelley glaubte, ihre Freundin wolle sich damit ein bisschen wichtigtun, und nahm ihr das auch nicht übel. In den vergangenen Jahren hatte Kaye ein sehr zurückgezogenes Leben geführt, vor allem was Jungs betraf. Während Shelley die Freunde so häufig gewechselt hatte wie ihre T-Shirts. Ein wenig Romantik und Aufmerksamkeit hatte sie sich nach Meinung ihrer weißen Freundin also allemal verdient.
Shelley hatte nichts gegen Indianer, aber sie machte auch kein Geheimnis daraus, dass ihr dieser Menschenschlag in seinen Denk- und Verhaltensweisen immer fremd geblieben war. Auch durch ihr enges Zusammensein mit Kaye und Teena Tommy hatte sich daran nicht wirklich etwas geändert. Bis jetzt hatte sie keine Freundschaft mit einem Navajo-Jungen angefangen, und Kaye glaubte auch nicht, dass Shelley das je tun würde. Eines Tages würde sie einen weißen Jungen heiraten und nach Kalifornien ziehen, so viel war schon mal klar.
»Warum musstest du es herumerzählen?«, fragte Kaye ihre Freundin vorwurfsvoll.
Shelley hob die Schultern. »Nun hab dich nicht so. In ein paar Tagen hätten es sowieso alle gewusst. Das ist schließlich eine aufregende Sache.«
»Diese aufregende Sache betrifft mich, Shelley. Und ich dachte, wir wären Freunde.«
»Ach, komm, nun mach aus einer Mücke keinen Elefanten. Ich hab schließlich kein großartiges Geheimnis verraten«, verteidigte sich Shelley.
»Nein, hast du nicht. Aber du hast mich in eine blöde Situation gebracht. Ich merke doch, wie alle mich anstarren und tuscheln.« Enttäuscht ließ Kaye Shelley stehen, um nach Teena zu suchen.
Teena hätte niemals geplaudert, das war nicht ihre Art. Obwohl Kaye versuchte, es Shelley nicht merken zu lassen, fühlte sie sich Teena Tommy tiefer verbunden als der gemeinsamen weißen Freundin. Vielleicht lag es an der Selbstverständlichkeit, mit der sie mit dem Navajo-Mädchen über alles sprechen konnte - sogar über Dinge, die jenseits der sichtbaren Welt lagen. Mit Teena konnte sie auch ganz anders über Will reden und über ihre Gefühle für ihn. Teena verstand Kaye sogar manchmal, ohne dass sie reden mussten.
Kaye begrüßte nach und nach die anderen Gäste, ließ ein paar Umarmungen über sich ergehen und wich Fragen nach Will geschickt aus. Sie sah Mike Northridge, den pickeligen Sohn des Bingohallenbesitzers, mit einer Bierflasche in der Hand in einer Ecke lümmeln und drückte sich schnurstracks aus seinem
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