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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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reiten.
    »Ich hasse dich, Will Roanhorse«, schrie Kaye ihm hinterher.
    »Und du nimmst mir die Luft zum Atmen«, stieß er hervor, so laut, dass sie es hören musste.

    Mit hängenden Armen stand Kaye da und lauschte, bis der Hufschlag des Pferdes verklungen war. Der Zaun am Ende der Koppel würde kein Hindernis für Pferd und Reiter sein.
    Niedergeschlagen und ratlos ging sie ins Haus zurück. Was habe ich bloß falsch gemacht? , fragte sie sich. Was war geschehen, das Wills Versprechen ungültig gemacht hatte?

15. Kapitel

    W ill stand vornübergebeugt am Waschbecken und in seinem Mund schäumte es. Brechreiz würgte ihn. Der chemisch parfümierte Geschmack war ekelerregend, aber er steckte noch einen weiteren Span Seife zwischen seine Zähne. Mit der Zunge schob er ihn von einem Winkel zum anderen und kippte etwas Wasser nach. Er gurgelte verzweifelt.
    Dann erbrach er sich ins Waschbecken. Schaum quoll ihm aus Mund und Nase, fast bekam er keine Luft mehr. Er hustete und würgte. Würgte so lange, bis nur noch bittere Gallenflüssigkeit in ihm hochkam. Als er in den Spiegel schaute und mit dem Handrücken über seinen Mund fuhr, stand auf einmal sein Großvater hinter ihm.
    »So wird das nichts«, sagte der Alte kopfschüttelnd.
    Will spuckte noch einmal ins Waschbecken und drehte den Wasserhahn voll auf. »Wie dann, Granpa?«, krächzte er heiser. »Ich weiß nicht mehr weiter.«
    »Willst du nicht mit mir reden?«
    »Ich kann nicht.« Will spuckte immer noch. Im Stillen wusste er, dass sein Großvater ahnte, was mit ihm los war. Aber er brachte es einfach nicht fertig, dem alten Mann die Wahrheit zu erzählen. Er schämte sich zu sehr.
    »Warum nicht?«, fragte Sam. »Ich bin ein sehr alter Mann, nichts ist mir fremd.«
    Vielleicht doch , dachte Will. »Lass mir Zeit«, bat er.
    »Ich kann eine Heilungszeremonie für dich abhalten«, schlug Sam vor. »Aber du musst mir vertrauen und mir alles erzählen. Wenn du mir etwas verschweigst, kann ich die Ursache deiner Krankheit nicht finden und dich nicht heilen.«
    Will beugte den Kopf, schob seinen Mund unter den laufenden Wasserhahn, gurgelte und spülte. Dann, erfüllt von plötzlicher Hoffnung, fragte er: »Schaffst du es denn noch bis hinauf zum Hogan, Granpa?«
    Er wusste, eine Heilungszeremonie konnte - wie jede andere Zeremonie auch - nur dann wirksam sein, wenn sie in einem gesegneten Hogan abgehalten wurde. Aquilar hatte den Hogan gesegnet und die Schwitzhütte war auch wieder intakt. Will dachte nach. Vielleicht war eine Heilungszeremonie seine letzte Chance. Vielleicht konnte ein traditioneller Gesang das Übel von ihm abwenden und ihn auf den Weg der Harmonie zurückbringen.
    Sam lächelte hoffnungsvoll. »Du wirst mich schon irgendwie hinbringen. Du hast ja jetzt ein schönes Pferd. Allerdings brauche ich einen Sattel, ich bin ein alter Mann.«
    Will nickte. »In Ordnung«, sagte er. »Die Woche über werde ich auf Kingleys Ranch arbeiten. Für das Pferd. Am Samstag bringe ich dich auf die Mesa.«
    »Das ist gut.« Sam tätschelte seinem Enkel den Rücken. »Und wenn du reden willst: Ich bin da.«
    Als er sich umwandte, um zu gehen, sagte Will: »Granpa?«
    »Ja?«
    »Ich habe ihn wieder gesehen, den Kojoten. Er ist mir gefolgt, als ich von der Ranch zurückgeritten bin. Immer im gleichen Abstand. Wenn ich stehen blieb, blieb auch er stehen. Seine Augen glühten in der Dunkelheit. Er ist ein Zweiherz und er ist zornig. Nur warum?«
    »Er spürt deine Angst, Will. Graubein Kojote ist immer auf der Suche.«
    »Auf der Suche? Nach wem?«
    »Nach jemandem, der schwach ist und früher mal stark war.«
    Will schluckte beklommen. »Aber was will er von mir?«
    Sam Roanhorse wiegte seinen Kopf leicht hin und her und antwortete nicht gleich. Schließlich sagte er: »Er will dich in die Dunkle Welt ziehen.«
    Will brauchte einen Moment, um das, was der Alte gesagt hatte, zu begreifen. »Da komme ich doch gerade her«, sagte er verzweifelt und hustete wieder. Der Seifengeschmack hatte sich in seine Zunge gebrannt und nun spürte er das Brennen auch in seiner Brust.
    »Noch weiter nach unten, Junge«, sagte Sam.
    »Verdammt!«, stieß Will schluchzend hervor. »Was soll ich bloß tun?«
    »Halte dich an das Mädchen. Sie ist stark. Ihr kann der Graue nichts anhaben.«
    Ich kann nicht, dachte Will. Ich kann einfach nicht. Er ging an seinem Großvater vorbei in sein Zimmer und warf sich bäuchlings aufs Bett.
    Sam folgte ihm schlurfend und setzte sich zu ihm.

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