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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Nüstern und der Hengst schnaubte leise.
    »Brauchst du einen Sattel?«
    »Nein. Aber ein einfaches Halfter und Zügel wären nicht schlecht.«
    Sie brachte ihm beides aus der Scheune. Will schob das Halfter über Ashkiis Kopf, befestigte die Zügel daran und führte den Hengst ein Stück herum. Ashkii gehorchte. Er schien Will zu mögen.
    »Wirst du mein Boss sein, solange dein Vater nicht da ist?«
    »Wohl oder übel.« Kaye lächelte.
    Er zuckte mit den Achseln. »Werd es schon ertragen.«
    Wie romantisch, dachte Kaye. Er wird mich also ertragen. »Willst du gleich wieder verschwinden oder kommst du noch mit ins Haus?«, fragte sie und blickte ihn aufmunternd an. »Du hast sicher noch nichts gegessen. Ich könnte uns etwas kochen.«
    Will schien zu überlegen. Doch was auch immer in seinem Kopf vorging, ihr Angebot war offensichtlich so verlockend, dass er es nicht ausschlagen konnte. Er folgte Kaye.
    Bevor sie ins Haus traten, wandten sich beide unwillkürlich noch einmal nach der untergehenden Sonne um, deren abendlicher Schein die Berge und Mesas hinter der Ranch in ein unirdisches Licht tauchte. Blauviolett leuchtete es dort, orangefarben, und auf der Linie des Horizontes schwebte ein tiefes Rot. Die verschiedenen Schichten der Tafelberge auf der anderen Seite der Straße leuchteten in Ocker, Piniengelb und einem schweren Rotbraun.
    Alles war heute gefährlich. Die Farbenspiele, die Atmosphäre, die Gefühle. Aber sie gingen trotzdem hinein, in dieses Haus. Und von Wänden umgeben, fühlten sie sich plötzlich befangen.

    Kaye bereitete einen Salat aus Paprika, Kopfsalat, Zwiebeln und braunen Bohnen. Weil sie kein Fleisch im Haus hatte, gab es dazu in Öl ausgebackene Tortillas. Während sie das Essen zubereitete und den Tisch deckte, erzählte sie Will von ihrem Besuch bei Aquilar im Krankenhaus. »Er hat nach dir gefragt«, bemerkte sie, auf eine Art, die ihm ein schlechtes Gewissen machen musste.
    »Das nächste Mal werde ich wieder mitkommen.«
    »Falls ich dich finde!« Mit vorwurfsvollem Blick stellte sie die heißen Tortillas auf den Tisch und setzte sich.
    Will griff zu. »Ich werde die nächste Zeit hier arbeiten«, erinnerte er sie. »Du wirst keine Probleme haben, mich zu finden.«
    Nachdem sie gegessen hatte, stand Kaye auf, verschwand im Zimmer ihres Vaters und kam mit einer Whiskyflasche zurück. Will beobachtete sie dabei, wie sie zwei schwere Mexikogläser mit dunkelblauem Rand aus dem Schrank holte und mit Eiswürfeln füllte. Er protestierte nicht, obwohl er den Geschmack von Whisky hasste. Sein Vater hatte meistens welchen im Haus gehabt, obwohl es im Reservat verboten war, Alkohol zu trinken. Nie hatte Will seinen Vater sinnlos betrunken erlebt, aber manchmal hatten seine Augen diesen glasigen Schimmer gehabt und sein Atem hatte widerlich gerochen.
    Als Kind hatte Will heimlich einen Schluck aus der Flasche genommen - aus purer Neugier. Er hatte sich geschüttelt vor Ekel und gedacht, dass man so etwas nur dann freiwillig trinken konnte, wenn es zu irgendetwas gut war. Vielleicht war der Whisky Medizin für seinen Vater? Erst nachdem er Johns Brief gelesen hatte, war ihm klar geworden, dass sein Vater getrunken hatte, um zu vergessen. Aber warum hatte Kaye jetzt den Whisky geholt? Was wollte sie vergessen?
    Kaye goss die bernsteinfarbene Flüssigkeit in die Gläser. Todilhil , Wasser der Dunkelheit, nannten die Navajos den Alkohol. Will bezweifelte, dass es dieses Getränk in der Ersten, der Dunklen Welt, schon gab. Die bilagáana hatten es mitgebracht. Wo sie herkamen, musste es noch dunkler und ungemütlicher sein als in der Unterwelt von Dinétah . Aber im Gegensatz zu den Navajos hatten die Weißen nichts dazugelernt. Sie zankten und stifteten Unheil, quälten die Erde, auf und von der sie lebten, waren gierig und stets unzufrieden, als wären sie immer noch Wesen minderen Verstandes.
    »Auf dein Wohl!«, sagte Kaye und hob ihr Glas. Und ganz unverfänglich fügte sie hinzu: »Auf dein neues Pferd, Will.«
    Sie war eine Halb- und-Halb-Frau, dachte er. Unergründlich.
    Will nippte trotzig von seinem Whisky und schüttelte sich. Er fand das Zeug noch immer widerlich, aber er wollte Kaye beweisen, dass er ein ganzer Mann war. Todilhaal , die Dunkelheit einsaugen, sagten die Navajos, wenn jemand Alkohol trank. Er würde nicht redselig werden, auch wenn sie sich das erhoffen sollte.
    Will lief mit dem Glas in der Hand ins Wohnzimmer, das sich der offenen Küche anschloss, und sah sich alles

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