Zweiherz
schließlich fünf Jahre auf ihn gewartet.«
»Vor fünf Jahren warst du noch eine Kaulquappe.«
»Vielleicht«, sagte sie mit einem kleinen Lächeln. »Aber ich liebte ihn damals schon. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.«
»Dann versuch doch, ihn zu mögen, ohne etwas von ihm zu erwarten«, schlug Aquilar vor. »So wie du mich magst.« Er grinste breit.
»Ich mag ihn aber anders als dich«, flüsterte Kaye. »Ich liebe Will und dachte, wir würden irgendwann heiraten. Er hat es mir versprochen.«
»Er hat einer Kaulquappe versprochen, sie zu heiraten?«, fragte Aquilar und verzog das Gesicht.
Kaye, plötzlich den Tränen nahe, senkte den Kopf. »Ja.« Aquilar griff nach ihrem Oberarm. Sie hatte eine Gänsehaut. Die Klimaanlage hielt das Krankenzimmer kühl, während draußen die Hitze wie eine schwere Decke über dem Land lag. »He«, sagte er, »ich glaube, du denkst das Falsche, Kaye. Will mag dich auch und er braucht dich. Aber er kann nicht mit körperlicher Nähe umgehen und das hängt vermutlich mit seiner Zeit im Gefängnis zusammen. Er hat da Andeutungen gemacht. Im Knast laufen Dinge ab, die ziemlich unschön sind. Er mag nicht darüber reden und ich kann ihn verstehen. Will braucht Nähe, das weiß ich. Aber er möchte nicht angefasst werden. Das gibt sich bestimmt irgendwann wieder. Lass ihm einfach Zeit... mit dem Heiraten und so«, fügte er hinzu.
Kaye blickte auf. »Bist du sicher, dass das alles ist?«
»Ich glaube schon. Ich weiß, er liebt dich.«
Sie gab Aquilar einen spontanen Kuss und der Junge wurde rot. »Reden wir von dir«, sagte Kaye. »Was machen deine Beine?«
»Sie schlafen so vor sich hin. Die gute Nachricht ist, dass ich keine Infektion in die Wunde bekommen habe und sie schon dabei ist, zuzuheilen.«
»Das ist doch toll.«
»Wie man’s nimmt.«
»Bist du wütend?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht auf Will. Ich bin wütend auf mich. Ich hätte mich besser festhalten sollen.«
Nachdem Kaye sich von Aquilar verabschiedet hatte, vereinbarte sie an der Aufnahme noch einen Termin für eine Augenuntersuchung, in der Hoffnung, dass Großvater Sam freiwillig mit ihr ins Krankenhaus kommen würde. Danach fuhr sie die hundert Meilen zurück zur Kingley Ranch. Kaye nahm eine kalte Dusche und belegte sich ein Sandwich, das sie im Stehen verzehrte. Dann schlenderte sie noch einmal hinter das Haus zu den Pferden, kletterte auf den Koppelzaun und streichelte Shádis Stirn. Die Stute stupste sie an und leckte an ihren Händen, die nach Weißbrot dufteten.
»Hey.« Kaye klopfte Shádis Hals. »Ich weiß, ich habe dich vernachlässigt. Verzeih mir, meine Schöne, ich gelobe Besserung. Morgen werden wir ausreiten, ich verspreche es dir.«
Als Will sich neben Kaye auf den Zaun stützte, unterdrückte sie einen Schreckensschrei, konnte aber nicht mehr verhindern, dass sie ein dummes Gesicht machte.
Er lächelte wie ein kleiner Junge nach einem gelungenen Streich. »Du hast ein Pferd für mich?«, kam er gleich zur Sache. »Welches?«
»Guten Abend, Will«, sagte Kaye und versuchte, ihren Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bringen. Freude durchströmte sie - darüber, dass er gekommen war. »Du kannst Ashkii haben.« Kaye deutete auf den rötlich braunen Hengst mit der kräftigen Hinterhand. »Er gehört mir und ich wollte ihn sowieso verkaufen. Ashkii ist schnell und wendig, allerdings auch ziemlich eigensinnig.«
Will stieg über den Zaun und streichelte den Hengst, der zu tänzeln und zu schnauben anfing. »Ashkii« , sagte er. »Ist dir kein anderer Name als Junge für ihn eingefallen?«
»Wenn du ihn haben willst, kannst du ihn nennen, wie es dir gefällt. Dein Name jedenfalls passt gut zu ihm.« Roanhorse bedeutete nämlich nichts anderes als: rötlich braunes Pferd.
»Ich nehme den Jungen. Morgen fange ich an zu arbeiten.« Will kraulte Ashkiis Hals und der Hengst ließ es sich gefallen.
Kaye nickte und versuchte, sich ihre Freude darüber nicht anmerken zu lassen. »Wie lange bist du schon hier?«, wollte sie wissen. Ashkii war ein gutes Pferd, aber um das herauszufinden, musste Will ihn eine Weile beobachtet haben. Er kannte sich mit Pferden aus, sein Vater John hatte welche besessen. Aber Sam hatte sie nach dem Tod seines Sohnes verkauft, weil er sie allein nicht mehr versorgen konnte.
»Lange genug, um mir die Pferde genau anzusehen. Es sind schöne Tiere«, lobte er, »gut gepflegt. Aber ein anderes hätte ich nicht genommen.« Er blies Ashkii in die
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