Zweiherz
knallte die Tür hinter sich zu.
Kaye ließ seufzend die Schultern hängen.
»Genau so, wie er sich verhält, hast du die ganze Zeit ausgesehen«, sagte Pete. »Ich war mir nur nicht sicher.«
»Was soll das denn heißen?«
»Na ja, du hast ihn mir immer als Sonnyboy geschildert, aber in Wirklichkeit ist er ein zorniger junger Mann, der ein großes Problem hat. Ich hoffe, dieses Problem bin nicht ich. Tut mir leid, dass ich dich in diese Situation gebracht habe.« Pete sah sie prüfend an. »Oder wolltest du, dass das passiert?«
Kaye schüttelte müde den Kopf. »Er war sonst immer schon weg, wenn ich aus der Stadt nach Hause kam«, sagte sie. »Ausgerechnet heute hat er länger gearbeitet. Ins Haus ist er sonst nie gekommen.«
»Er hat meinen Wagen gesehen und wollte wissen, wer das Mädchen, das er liebt, besucht. Ich kann es ihm nicht verdenken.«
Sie aßen Suppe, und Kaye erzählte Pete, dass sich die Beziehung zu Will nicht so gestaltete, wie sie es erhofft hatte.
»Aber du hast doch gesehen, dass er eifersüchtig war«, sagte Pete.
»Ja. Und ich habe keine Ahnung, wie er darauf reagieren wird.«
»Morgen wirst du es wissen.«
Nach dem Essen verabschiedete sich Pete. »Vielen Dank für die köstliche Suppe, Kaye. Es tat gut, mal wieder mit dir zu reden.«
»Schön, dass du da warst«, sagte sie. »Ich habe deine Besuche vermisst.«
Pete umarmte Kaye. »Demnächst besuche ich dich mit Nadja. Hoffentlich hast du Will bis dahin gebändigt.«
»Was soll ich nur tun?« Ratlos stand sie in der Tür.
»Sei ehrlich zu ihm, er hat es verdient«, antwortete Pete und kletterte in seinen Wagen. Als er den staubigen Weg zur Straße hinauffuhr, kam ihm auf halber Höhe ein anderes Fahrzeug entgegen.
Ein junger Mann saß am Steuer, den Pete nicht kannte, und auf dem Beifahrersitz saß Kayes Freundin Shelley. Pete winkte den beiden zu und dachte, dass sie jetzt möglicherweise nicht willkommen waren.
18. Kapitel
O bwohl Kaye diese Nacht nur ein paar Stunden geschlafen hatte, quälte sie sich aus dem Bett, als der Wecker klingelte. Sie kochte einen starken Kaffee, den sie im Stehen trank, und machte sich auf den Weg nach Window Rock, um ihren Laden pünktlich zu öffnen.
Den vergangenen Abend hatte sie mit Shelley und Rob verbracht. Shelley hatte Robert die Geschichte von den Felsbildern erzählt (natürlich hatte sie nicht geschwiegen wie ein Grab) und was mit Aquilar passiert war. Als der junge Lindsay hörte, dass Kaye alleine auf der Ranch war, hatte er sich Sorgen um sie gemacht und war mit Shelley noch zu ihr hinausgefahren.
Kaye hätte den Abend lieber allein verbracht. Sie hatte vorgehabt, endlich ihre Wolle einzufärben und am Wochenende mit dem Weben eines Teppichs zu beginnen. Ein Muster hatte sie schon entworfen und freute sich darauf, es umzusetzen. Aber sie brachte es nicht fertig, ihre Freunde wieder wegzuschicken. Also hatte sie die beiden mit Suppenresten bewirtet und sie hatten bei Kerzenschein auf der Veranda gesessen. Nachdem Kaye Shelley davon überzeugt hatte, dass Pete nur ein guter Freund war, hatten sie über alles Mögliche geredet. Erst um 2 Uhr nachts waren die beiden wieder gefahren und Kaye war todmüde in ihr Bett gefallen.
Am Nachmittag fielen ihr trotz kalt eingestellter Klimaanlage hinter dem Ladentisch die Augen zu. Da sich der Kundenansturm in Grenzen hielt, schloss sie den Laden und fuhr nach Hause. Sie stellte ihren Wecker und schlief eine Stunde. Dann sattelte sie Shádi und machte sich auf den Weg zu Will und Großvater Sam.
Ausgeschlafen war sie auch jetzt noch nicht. Doch die Stute kannte den Weg zum gelben Haus, und Kaye brauchte nichts weiter zu tun, als sich den Bewegungen des Pferdes anzupassen.
Auf einer Abkürzung in einem ausgetrockneten Flussbett jenseits der Straße brachte die Stute ihre Reiterin zum Ziel. Wie verzaubert dieses Land ist, dachte Kaye, die jedes Mal aufs Neue überwältigt war von der Schönheit und Vielfältigkeit der Natur, die sie umgab. Auf dem hochliegenden Land wuchsen Fichten, Espen und Wacholderbäume. In den kleinen Canyons gab es Wasser für das Vieh. Weiter unten war Steppenland, Halbwüste. Hier gediehen trotz Trockenheit Salbei, Fettholz, Yuccapflanzen und Gras. Und natürlich Tumbleweed. Tumbleweed war auch eine Steppenpflanze. Sie kam aus Russland und wurde deshalb von den Einheimischen auch Russische Distel genannt.
Auf Navajo-Land gab es aber auch Wüste, richtige Wüste. Im Monument Valley und Painted Desert im Norden
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