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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Polizei ist im Haus?«, fragte Kaye. Eigentlich war es mehr eine Feststellung als eine Frage.
    Der Alte nickte.
    »Und warum?«
    Sam hob die Schultern. Irgendwie konnte er Kaye nicht richtig in die Augen sehen und das verängstigte sie noch mehr. » Er ist in Wills Zimmer«, sagte er schließlich.
    Kaye lief hinaus auf den Gang bis vor Wills Zimmer. Die Tür stand offen und drinnen hörte sie es rascheln. Sie stieß die Tür mit der Hand ein Stück weiter auf und sah ihren Onkel in seiner Uniform, wie er Wills Habseligkeiten durchsuchte.
    »Onkel Thomas, was machst du denn da?«, fragte sie in aufrichtigem Entsetzen. Das durfte nicht wahr sein, es war ein Irrtum, es ...
    Thomas fuhr erschrocken herum. »Kaye«, sagte er sichtlich erleichtert. »Du hast mich vielleicht erschreckt.«
    »Wieso tust du das?« Die Enttäuschung über das, was ihr Onkel da tat, trieb ihr Tränen in die Augen. Wieso vertraute Onkel Thomas Will nicht? Warum durchsuchte er seine Sachen? Was war passiert?

    Thomas räusperte sich. Er hatte versucht, Kaye zu beruhigen, aber jetzt half es nichts: Er musste sagen, was zu sagen war. »Sie haben heute Ted Northridge gefunden, unten im Wide Ruin Canyon. Jemand hat ihm eine Kugel in den Kopf geschossen.«
    Thomas überlief ein kurzes Zittern, als er an den Anblick des Toten dachte. Das Gewehr, mit dem der Bingohallenbesitzer getötet worden war, hatte ein großes Kaliber gehabt. Die Kugel war in den Hinterkopf eingedrungen und hatte dem Mann das halbe Gesicht weggeblasen. Ein fürchterlicher Anblick, den Totsoni nicht so schnell vergessen würde.
    Navajos fürchteten die Toten wegen des c h’iindi , ihres Totengeistes, der sich, wenn jemand eines gewaltsamen Todes gestorben war, noch vier Tage lang in der Nähe des Leichnams aufhielt.
    Es war der zwanzigste Tote in Thomas Totsonis Dienstzeit, und er würde wieder Wochen brauchen, bis er sich von diesem schrecklichen Anblick und dem unheimlichen Gefühl erholt hatte. In solchen Augenblicken hasste er seinen Job und fragte sich, warum er nichts Anständiges gelernt hatte, wie seine Mutter es sich immer gewünscht hatte.
    Wie seine Schwester Sophie zum Beispiel, die wunderschöne Teppiche mit beinahe magischen Mustern weben konnte. Aber Sophie war jetzt tot, und er, der ständig mit dem Tod zu tun hatte, lebte immer noch.
    Der Polizist seufzte und blickte in die trotzigen Augen seiner Nichte. Sie war wirklich kein Kind mehr. Nein, sie war eine stolze junge Frau, wie ihre Mutter es gewesen war. Er würde Klartext mit ihr reden müssen, ihr wehtun müssen. Wie er das hasste.
    »Was hat Will damit zu tun?« Das dunkle Blau ihrer Augen wurde beinahe schwarz. Diese Wut in ihrem Blick, gepaart mit Panik.
    »Northridge muss schon Freitagnacht erschossen worden sein«, sagte Thomas, »die genauen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Und ich habe das hier neben dem Toten gefunden.« Er hielt die kleine afrikanische Fruchtbarkeitsgöttin in die Höhe, die Will noch vor einigen Tagen um den Hals getragen hatte.
    Kaye erkannte sie sofort.
    »Wir haben Pferdespuren im Wide Ruin Canyon gefunden«, erklärte Thomas. »Ich wusste, dass Will jetzt ein Pferd hat, und ich kam her, um mit ihm zu reden. Er war nicht da, nur der alte Mann. Ich habe ihm die Figur gezeigt, und er sagte, sie würde seinem Enkelsohn gehören. Er sagte auch, Will habe nichts zu verbergen. Er hatte nichts dagegen, dass ich mich in Wills Zimmer ein wenig umsehe.«
    » Umsehen , sagst du. Du hast in seinen privaten Sachen herumgeschnüffelt.«
    Der Polizist packte Kaye an beiden Armen und schüttelte das Mädchen. »Kaye, wo ist Will?«
    Sie starrte ihn mit kaltem Blick an. »Keine Ahnung.«
    »Weißt du, ob er ein Gewehr besitzt?«
    »Ja«, sagte sie. »Ich weiß, dass er keins besitzt. Großvater Sam hat sein Jagdgewehr mit einem Stein zertrümmert, nachdem Wills Vater sich damit erschossen hat.«
    »Aber er könnte sich eins besorgt haben.« Es gefiel Thomas nicht, seine Nichte so zu quälen, doch er musste es tun. Es war nun mal sein Job. Die Familie war ihm das Wichtigste auf der Welt, aber er konnte keinen Mörder schützen, auch dann nicht, wenn Kaye diesen Jungen liebte. Früher, als die Tradition es noch wollte, dass der Onkel einen Ehemann für seine Nichte aussucht und die Hochzeit mit Schafen und Silberschmuck besiegelt wurde, war alles einfacher gewesen.
    »Will war es nicht!«, sagte Kaye tonlos. Sie sah plötzlich müde und erschöpft aus.
    »Er war sehr wütend, der alten

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