Zweiherz
gewonnen. Aus seinen Augen sprach eine Ruhe, die ihr neuen Mut machte.
»Heute Morgen haben sie Ted Northridge, den Besitzer der Bingohalle, im Wide Ruin Canyon gefunden«, sagte sie. »Es wurde wieder eine Felszeichnung gestohlen und jemand hat Northridge eine Kugel in den Kopf gejagt. Das Ganze passierte vermutlich in der Nacht vom Freitag zum Samstag.«
»Verdammter Mist«, entfuhr es Will. »Ich wusste, dass er es noch mal tun würde.«
»Du wusstest, dass Northridge einer der Männer war?«, fragte Kaye erschrocken. Sollte sie sich so getäuscht haben?
War er doch mehr in diese Sache verwickelt, als sie vermutete?
»Ja, ich habe seinen Wagen wiedererkannt«, gab Will zu. »Wenn Northridge mit seinem Pickup nicht in diesem Schlammloch stecken geblieben wäre und den Motor abgewürgt hätte, dann hätte auch er Aquilar überfahren und mich gleich mit.« In seinen Augen schimmerte die Erinnerung an jene schreckliche Nacht.
»Die Polizei hat eine kleine Elfenbeinfigur neben der Leiche gefunden«, sagte Kaye und blickte Will fragend ins Gesicht.
Er tastete an seinen Hals, griff ins Leere. »Ich muss sie verloren haben, als ich in jener Nacht mit Aquilar unten im Water Hole Canyon war.« Will stand auf, das Gesicht voller Enttäuschung. »Du glaubst, ich habe diesen Mann ermordet? Du traust mir zu, dass ich einen Menschen erschieße? Aus Rache?«
Kaye antwortete nicht sofort. Sie wusste nicht, wohin sie blicken sollte. Für einen Moment hatte sie tatsächlich geglaubt, dass es so gewesen sein könnte.
»Wenn man es erst einmal getan hat, dann geht es ganz leicht. Das denkst du doch, oder?« Wills schwarze Augen funkelten sie an.
»Nein«, sagte sie. Ein Blitz zuckte und gleich darauf krachte es. Kaye fuhr zusammen. Es wehte und regnete zur offenen Tür herein. Will stand auf und schob sie zu.
»Onkel Totsoni war bei Großvater Sam, und ich kam dazu, als ich ihm das Essen brachte. Man hat Reifen- und Pferdespuren bei Northridges Leiche gefunden. Du wirst verdächtigt, Will, weil sie die kleine Figur neben dem Toten gefunden haben, die dir gehört. Ich habe meinem Onkel versprochen, dich zu ihm zu bringen. Du musst ihm alles sagen, was du weißt. Er wird dir glauben.«
Will schüttelte grimmig den Kopf. »Warum sollte ausgerechnet er mir glauben?«
»Weil er mein Onkel ist«, sagte Kaye voller Überzeugung. »Weil er der Bruder meiner Mutter ist. Weil er ein Navajo ist.«
Im Hogan war es stockfinster und Will zündete eine Kerosinlampe an. Eine neuerliche Windböe stieß krachend die Tür auf. Sie schlug gegen die Steinwand, Sand und Pflanzenteile wehten herein. Will sprang auf, um sie zu schließen. Dabei warf er einen Blick hinaus auf das von violetten Blitzen erleuchtete Plateau. Büsche bogen sich im Sturm, Äste und verdorrtes Laub fegten über die Mesa. Will hoffte, dass auch Ashkii in den Canyon hinabgelaufen war, um Schutz zu suchen.
Plötzlich sah er den niedrigen Schatten eines Tieres, das sich am Rand der Mesa herumdrückte. Es war ein Kojote; der Graue verfolgte ihn wieder.
Du kriegst mich nicht , dachte Will. Du kriegst mich nicht, denn jetzt ist sie bei mir.
Er machte einen erschrockenen Schritt zurück, als ein violetter Blitz nur wenige Meter vor seinen Füßen einschlug. Die Energie des Blitzes beleuchtete das ganze Plateau. Vom Kojoten war nichts mehr zu sehen. Will verschloss die Tür mit dem eisernen Riegel und lehnte sich rücklings dagegen. Hagelkörner, die dem Krach nach die Größe von Taubeneiern haben mussten, prasselten auf das Dach und schlugen gegen die Tür. Aber der Hogan hatte keine Fenster und das Dach würde dicht bleiben. Hier waren sie vor dem Sturm sicher.
»Jetzt ist es unmöglich«, sagte Will bestimmt. »Aber wenn du willst, werde ich morgen mit dir nach Window Rock kommen.«
Kaye stand auf und kam auf ihn zu. Sie sah erleichtert und besorgt zugleich aus. Und in ihrem Blick lag eine wilde Entschlossenheit, die er noch gut von früher kannte. Will ahnte, was jetzt kommen würde.
Sie lehnte die Stirn an seine Schulter. Er hob die Hand und löste die Nadeln aus ihrem Haar, das diesmal nach gebackenem Maismehl duftete. Daraufhin lehnte sie sich mit ihrem ganzen Körper gegen ihn und er spürte ihre weichen Brüste an seiner Brust. Ihm stockte der Atem, als sie einen Schritt zurücktrat und begann, ihre Bluse aufzuknöpfen. Darunter trug sie nichts. Das lange Haar fiel über ihre kleinen runden Brüste.
Atiin bik’eh hózhó , dachte Will. Pfad der Schönheit.
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