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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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auf einer völlig verkrusteten Anrichte. Sogar die uralte Kaffeemaschine war noch da. Bei der Vorstellung, dass er hier gelebt hatte, wurde ihm fast übel. Das, was früher das Sofa gewesen war, stand noch immer vor dem Ofen wie an seinem letzten Abend. Eine kleine Staubwolke stieg von den Polstern auf, als hätte sich jemand darauf bewegt. Aber als er genauer hinsah, erkannte er schwarzes Haar, das über den Sofarand hinausragte. Er hätte Angst haben müssen, aber alles, was er fühlte, war ein leises freudiges Erschrecken.
    »Aidan?« Bitte lass es Aidan sein .
    »Willkommen zu Hause«, kam die trockene Antwort. »Willst du mir noch einen Tritt verpassen?«
    Er war es tatsächlich – in Jeans und einem Sweatshirt, auf dem das Mets-Emblem prangte. Das einzig Nichtmenschliche an ihm war die Haltung, in der er sich nun auf dem Sofa zusammenrollte. Er gähnte und legte das Kinn auf der Sofalehne ab wie ein Hund. »War eine ganz schöne Schlacht, was? Und offenbar hattest du auch die Schnauze voll.«
    »Kann man wohl sagen«, rutschte es Jay heraus. Es tat gut, unendlich gut, einfach nur zu reden, als sei nichts geschehen.
    »Bist du auch abgehauen?«, fragte Aidan.
    Jay nickte.
    »Tja, dann sitzen wir im selben Boot, was? Wenn die zwei uns finden, ist es zumindest für dich gelaufen.«
    »Du meinst Madison und Linda.«
    »Wen sonst. Matt habt ihr ja erledigt.« Das klang nicht mehr ganz so freundlich. Und auch das Knurren hinter ihm ließ ihn nun doch wünschen, er hätte sich bis an die Zähne bewaffnet. Bei einem Blick über die Schulter brach ihm der Schweiß aus. Ein ganzes Rudel Kojoten hatte im Wohnzimmer Unterschlupf gefunden. Es betrachtete ihn lauernd, still, jederzeit bereit, sich auf ihn zu stürzen. »Darf ich vorstellen: Team Aidan. Nur zur Sicherheit. Also?«
    »Ich suche Madison«, sagte Jay heiser. »Ich muss mit ihr sprechen!«
    Aidan richtete sich wieder auf und zuckte in einer Geste, die so typisch für seinen Cousin war, dass es Jay einen Stich gab, die Schultern.
    »Wenn sie nicht gefunden werden will, hast du keine Chance. Und du kannst dir vorstellen, dass ihre Liebe ziemlich abgekühlt ist, seitdem du mit dem Menschenmädchen davongerannt bist.«
    »Um Liebe geht es hier schon lange nicht mehr. Wer ist sie, Aidan?«
    »Hm, lass mich überlegen. Mit ihrer Magie ist sie stärker als die Ältesten, sie befiehlt dem Wind. So schwach sie wirkt, so stark ist sie. Sie kann Welten spinnen, sie herrscht über die Tiere und kann Menschenaugen dazu bringen, das zu sehen, was sie will. Sie hat ein Herz so groß wie der Ozean. Aber so groß wie ihre Liebe kann auch ihr Hass sein. Hört sich für mich irgendwie nach unseren allseits beliebten Mondmädchen an. Manche sagen, sie sind Wendigos Darlings, aber ich persönlich bevorzuge das gute alte Wort Sklavin.«
    Jay bemühte sich nicht zurückzuzucken, als eine Kojotennase gegen seine Hand stieß.
    »Mondmädchen«, murmelte er. »Kein Mensch. Ist sie ein Tier? So wie Matt?«
    Aidan lachte. »Schon wieder auf der Suche nach Kategorien? Wirklich menschlich.«
    Er stand vorsichtig auf, und als er zu den Kojoten hinüberging, sah Jay, dass er sich krümmte, als hätte er eine Prellung an den Rippen. Dann war er es vorher wirklich, den ich getreten habe . Er war ganz und gar nicht stolz darauf.
    Aidan verschwamm, löste sich auf und verdichtete sich zu einer vierbeinigen Gestalt. Gelbe Augen blickten Jay an. Der Kojote war hochbeinig und mager, er hatte graubraunes, buschiges Fell und einen listigen Ausdruck im Gesicht, den Jay überall erkannt hätte. Die anderen Tiere machten ihm Platz. Mit geschmeidigen Schritten umrundete Aidan die Stelle, an der früher der Wohnzimmertisch gestanden hatte, und trat wieder in die Küche. So beiläufig, als würde er sich einen Mantel überwerfen, nahm er wieder menschliche Gestalt an. Doch diesmal war er nicht Aidan, sondern Alex aus seiner Sportmannschaft.
    »Abrakadabra«, sagte er und verschränkte die Arme. »Auch das ist ihre Trugwelt. Glaub nie, was du siehst. Im Frühling war ich noch ein gewöhnlicher Kojote, heute kann ich alles sein. Sie macht keinen Unterschied. Ihre Art steht den Menschen nahe – und den Tieren ebenso.«
    »Das heißt, sich hat dich zu dem gemacht, was du jetzt bist?«
    »Wegen ihr spreche ich und denke ich ein wenig menschlicher, als ein Kojote es tun würde.«
    »Und sie hat dir beigebracht, dich wie mein Cousin zu benehmen?«
    »Sie hat uns alle drei in deine Träume mitgenommen, wir haben

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