Zweilicht
jetzt?«, fragte eine tiefe, harsche Frauenstimme hinter ihr.
Cael schüttelte sich mit einem kalten Lachen und verwandelte sich. Rötliches Haar wallte auf.
»Jetzt wird sie genau das tun, was ich ihr befehle«, sagte das Mondmädchen mit der Sanftheit einer Katze, die mit der Maus spielt.
»Nein!«, stieß Ivy hervor.
»Wetten, dass du gar keine Wahl hast?« Das Mädchen lächelte. »Ich kenne deine Träume, Ivy.«
Sie kam so nah heran, dass ihr Haar Ivys Schulter streifte. Ein kalter Hauch von Magie. »Wie nennt er dich im Traum? Der blonde Mann, der jede Nacht von Neuem stirbt? In der Kammer des Löwen?« Ivys Knie gaben nach. Wenn das Wesen sie nicht festgehalten hätte, wäre sie in den Schnee gesackt.
Woher weiß sie es?
Das Mädchen beugte sich vor. Sein Atem trug einen Namen. Und obwohl gerade alles schieflief, was nur schieflaufen konnte, blitzte irgendwo in Ivy ein grimmiger Stolz auf. Sie war in diese Falle getappt, ja, aber niemals würde sie so leichtsinnig, so verliebt oder so dumm sein, einer ihrer Traumgestalten zu erlauben, sie bei ihrem richtigen Namen zu nennen. »Sóley«, wiederholte das Mondmädchen. »Schlaf ein!«
Es war nur der Kosename, mit dem ihr Bruder sie gerufen hatte, in ihrer Sprache bedeutete er Butterblume oder Sonneninsel – und sie hatte als Kind beides geliebt, die gelben Blumen und die Sonne. Und dennoch hing ihr Herz so sehr an ihm, dass er genügte, um ihn zumindest für einige Momente zu einem Zauber werden zu lassen.
Mit dem Namen kam die Schwere, das Gefühl, als würde aller Wille aus ihr herausfließen.
»Es beginnt«, sagte das Wesen, das sie festhielt. Ivy wusste nur zu gut, was das bedeutete.
Ein Knacken erklang von Weitem. Wie Polarlicht ergossen sich bläuliche Schlieren über die hohlen Fassaden. Die Kälte bekam Zähne, als wäre sie ein Tier, das jemand aus dem Schlaf aufgeschreckt hatte.
Das Wesen ließ Ivy los und sie sackte in den Schnee, und endlich gelang es ihr, den Anflug des Banns, der sie mit Fäden aus Mondlicht umspann, abzustreifen wie ein zerrissenes Spinnennetz.
Da traf sie ein Schlag am Hals. Das Letzte, was sie hörte, bevor sie in lichtloses Nichts fiel, war die tiefe Stimme der Frau. »Sicher ist sicher, Bernstein. Ich traue keinem von denen, egal wie stark dein Bann ist.«
east river
e ben noch hatte er Ivys Wärme neben sich gespürt, doch nun zitterte etwas in ihm nach – als hätte jemand ihn gerufen und der Schrei würde noch nachklingen, ohne dass er das Wort verstehen konnte. Kühle Luft zog von oben in den Raum, als wäre der Durchgang geöffnet worden.
»Ivy?«, flüsterte er. Seine Hand ertastete eine Kuhle unter der Decke. Sie war noch ein wenig warm von Ivys Haut. Also war sie erst vor Kurzem aufgestanden. Für einen Moment durchflutete ihn die Erinnerung und er lächelte. Sie hatten sich ohne Licht geliebt, und doch kam es ihm so vor, als hätte er ihr Wesen, ihr ganzes Sein und ihren Körper nie deutlicher gesehen.
Er stand auf und zog sich hastig an. Dann schnappte er sich die Jacke und wollte zur Treppe.
»An deiner Stelle würde ich hierbleiben«, sagte eine wohlbekannte Stimme im Dunkeln. »Hier bist du in Sicherheit.«
»Aidan!« Er wusste nicht, ob er erschrocken sein sollte oder erleichtert, dass es nur der Kojote war. »Wo ist sie? Ist etwas passiert?«
»Das Mondmädchen hat dich verschont, Mann. Das ist passiert. Du hast Glück gehabt.«
»Wo ist Ivy?« Er schrie bereits, und mit jedem Herzschlag spürte er mehr, dass etwas Schreckliches geschehen war. Die Luft knisterte wie vor einem Gewitter.
»Sie haben sie mitgenommen«, kam es trocken zurück.
»Während ich geschlafen habe?« Er sprang vor, fasste in die Dunkelheit – und fand zwei menschliche Schultern, in die er mit aller Kraft seine Finger grub. »Du hast es gesehen und hast mich nicht geholt?«
Aidan wand sich in seinem Griff, Jay konnte seine Angst riechen, ein säuerlicher Geruch nach nassem Hund.
»Ich lege mich doch nicht mit denen an«, flüsterte er. »Ivys Leben für deines, so lautet offenbar der Deal. Das Mondmädchen riskiert tatsächlich alles und versteckt dich vor Wendigo.« Es war, als würde die Schwärze um ihn herum implodieren. Und das, was übrig blieb, waren Verzweiflung und maßlose Wut auf sich selbst. Ivy hat es gewusst – sie hat dem Mondmädchen nie getraut. Und wie recht sie hatte. Nur ich war zu dumm und naiv! Der Trottel, der jedem sein Herz öffnet. Tränen schossen ihm in die Augen. Grob stieß er
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