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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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Aidan zurück. Es rumpelte, als der hagere Junge gegen einen Haufen Gerümpel prallte.
    Mit fliegenden Händen tastete Jay nach dem Gepäck, fand ein Seil, ein Messer und nahm beides an sich.
    »Was hast du vor?«, fragte Aidan mit banger Stimme.
    »Was schon!«, schrie Jay ihn an. »Glaubst du, ich lasse sie im Stich?«
    »Bleib hier bei mir, Mann. Hier überleben wir, das Mondmädchen schützt diesen Platz.«
    »Deshalb bist du also hier«, stieß Jay verächtlich hervor. »Nicht weil du mich warnen willst. Sondern weil es bei mir sicherer ist als da draußen.«
    »Hab nie was anderes behauptet«, erwiderte Aidan gekränkt. »Wir müssen zusehen, wo wir bleiben. Und dem Mädchen kannst du nicht mehr helfen.«
    »Kapierst du es immer noch nicht? Sie ist mein Mädchen. Hilfst du mir oder nicht?«
    Das Schweigen gab ihm die Antwort, die ihn seltsamerweise maßlos enttäuschte, obwohl er im Grunde nichts anderes erwartet hatte.
    »Feigling«, schleuderte er der Dunkelheit entgegen. »Kein Wunder, dass mein Vater seine letzte Motorradtour nicht überlebt hat. Jemand, der verrückt genug ist, sich einzubilden, ein Kojote wäre ein Freund, kann auch gleich freiwillig in die Schlucht springen.«
    *
    Im ersten Moment war er geblendet von dem unglaublichen Blau über ihm. Der Schneesturm hatte sich gelegt. Frostklirrende Stille hatte sich über die Stadt ausgebreitet, nicht einmal die Brücke klagte ihr Lied. Das ist also Wendigos Winter .
    Die leeren Fenster starrten wie Totenaugen. Dann erkannte er die Spuren im Schnee. Ein Kampf, zerwühlte Gräben. Gewaltige Fußstapfen, die ihn an einen Yeti denken ließen. Sie entfernten sich in Richtung Süden.
    *
    Ihr Kopf pochte so schmerzhaft, als müsste er gleich Risse bekommen und in Stücke zerfallen. Kopfüber hing sie über einer Schulter. Unter ihr wallte Nebel und es roch nach kaltem Wasser und morschem Holz. Brücke? , dachte sie benommen, aber noch war ihr zu schwindelig, um sich wirklich orientieren zu können.
    »Hier«, befahl das Mädchen mit harter Stimme. Ivy wurde herumgeschleudert und kam unsanft auf dem Boden auf. Ihre Arme wurden grob nach hinten gezerrt, dann drückte sich kalter, rostig-rauer Stahl zwischen ihre Schultern. In der Ferne ballte sich ein Grollen wie von brechenden Lawinen. Mit einem Mal war ihr nur noch schlecht vor Angst. Die Kälte brachte sie endgültig zurück. Sie fesseln mich an die Brücke! Ein Seil zurrte sich um ihre Handgelenke fest. Ivy ballte die Hände zu Fäusten, versuchte sich zu versteifen, um Spielraum für die Fesseln zu lassen, doch die Frau war viel schneller und hatte die Kräfte eines Bären. Zähneknirschend musste sie es ertragen, dass ihr eigenes Seil, das das Ungeheuer offenbar in ihrer Jackentasche gefunden hatte, sich zusätzlich fest um ihre Arme legte. Ruhig, Ivy . Keine Panik. Denk nach.
    Es hatte keinen Sinn, sich gegen das riesige Ungeheuer zu wehren, das wieder die Gestalt der dunkelhäutigen Frau angenommen hatte. Dann würden sie wissen, dass der Bann bei Ivy nicht wirkte. Ihre einzige Chance war die Überraschung. Wobei von Chance im Moment keine Rede sein konnte.
    Als sie den Kopf hob, hätte das, was sie sah, ihr beinahe auch den letzten Rest Mut geraubt. Die Stahlseile der Brücke spannten sich vor und hinter ihr wie ein gewaltiges Spinnennetz aus Stahl, in dem sie nun hilflos zappelte wie eine Fliege, die auf eine kristallweiße, grausame Spinne wartete. War Cael auch hier? Und Yamal? Die Erinnerung an ihren Bruder und an ihre erste Liebe trafen sie so jäh, dass sie aufschluchzte. Das Mondmädchen lächelte sie feindselig an. Sie leuchtete fahl wie der Mond, der Nebel floss um den schlanken Körper wie ein Kleid. Ihre stechende, kalte Schönheit brannte sich in den Himmel. Das Stahlseil, an das Ivy gefesselt war, rieb leicht zwischen ihren Schulterblättern, obwohl sie sich nicht regte. Unter ihr bewegte sich kaum merklich der Boden, die erste Ahnung einer Schwingung. Der Wind , dachte sie. So fängt es an. Jetzt konnte sie nicht mehr verhindern, dass die Angst in ihr hochkroch und sie völlig aus der Fassung brachte.
    Auch die beiden magischen Wesen hatten die Vorzeichen bemerkt. Und offenbar bekam zumindest die Frau es mit der Angst zu tun.
    »Schnell! Wir müssen gehen«, rief sie. Sie ruckte noch einmal hart an einem Seilknoten, dann ließ sie von Ivy ab und ließ das lange Ende des Seils achtlos neben Ivy fallen, wo es zu einem Haufen heller Schlingen zusammenfiel. Ohne ihre Gefangene noch eines

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