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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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Grau und Regen, wie mit Weichzeichner gefilmt. Auf manchen der Dächer standen noch die alten hölzernen Wassertanks, die Jay vor allem aus Horrorfilmen kannte. Immer noch heulten im ganzen Stadtteil Feuerwehrsirenen und Motorsägen im Chor um die Wette. Das würde Madison auch gefallen , dachte er. Es hatte ihn Überwindung gekostet, sie gestern nicht wieder anzurufen. Und heute hatte er keinen Gedanken an Jenna, Sally oder die anderen verschwendet, aber er ertappte sich dabei, dass er sich trotz des Spruchs auf dem Anrufbeantworter um Madison Sorgen machte. Er tastete nach seinem Handy, bis ihm einfiel, dass er es in der Küche gelassen hatte.
    Von unten drang wieder Aidans Stimme zu ihm hinauf. Sein Cousin lachte und ein anderes, helleres Lachen antwortete ihm. Jay spähte über den Dachrand. Niemand war vor dem Haus und auch der Garten war leer.
    Er wischte sich mit dem Ärmel den Regen von der Stirn und machte sich auf den Weg nach unten. Auf der Höhe des oberen Giebelfensters verharrte er und hielt noch einmal nach dem Hund Ausschau. Am Ende der Straße war ein Kran dabei, ein Auto aus der Umklammerung einer Baumkrone zu befreien. Aber kein Feathers weit und breit.
    »Suchst du das hier?«, rief eine leise Stimme. Er blickte über die Schulter. Es war ein Schock. Aber zur Abwechslung mal einer von der guten Sorte. Unten stand Madison! Ihr Haar war unter der Kapuze ihrer blauen Regenjacke verborgen. In der Hand hielt sie eine Rolle Klebeband.
    Der Sicherungsgurt grub sich in seine Taille, als er sich halb zu ihr umdrehte und sich mit einem Fuß auf den Giebel stützte. »Was machst du denn hier?«
    Madison wich einen Schritt zurück und musterte ihn mit einer seltsamen Scheu, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen. Vermutlich stimmte das sogar, denn im Augenblick bot er wirklich einen ganz anderen Anblick als in der Schule. Klatschnass, mit Arbeitshandschuhen, dem Werkzeuggürtel und einem Shirt aus der Werkstatt, auf dem Future Firefighter prangte.
    »Ich hatte ja keine Ahnung, dass du als Feuerwehrmann jobbst.«
    »Und ich dachte, wir warten mit unserem Date bis nächste Woche.«
    Sie stutzte, aber dann musste sie lachen und allein das entschädigte ihn für den ganzen verdorbenen Morgen.
    »Ich rufe dich schon die ganze Zeit an, aber keiner geht ans Handy«, sagte sie vorwurfsvoll. »Ich dachte schon, es sei was passiert.«
    Und mit einem Mal war es auch kein verkaterter grauer Tag mehr, sondern der beste Tag, seit er in New York war.
    »Schön, dass du dir Sorgen um mich machst. Was sagt dein Freund dazu?«
    »Glaub bloß nicht, ich bin extra wegen dir hergekommen. Meine Tante wohnt hier um die Ecke. Und da dachte ich, ich schaue mal nach, ob auch bei euch alles in Ordnung ist.«
    »Nett von dir. Und woher wusstest du, wo ich wohne?«
    Jetzt bekam ihre Miene wieder diesen Ausdruck amüsierter Überheblichkeit, den sie so gut beherrschte. »Erstens gibt es nicht viele Motorradwerkstätten in deiner Straße. Und zweitens bist du nicht der Einzige, der Leute ausfragen kann.« Sie deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Linda wusste sofort, wen ich meine, als ich nach einem Deutschen fragte. Und …«, sie lächelte breit »… Aidan ist auch sehr nett.«
    Es war lächerlich, ausgerechnet an Aidan einen Gedanken zu verschwenden, und trotzdem ärgerte ihn schon die Vorstellung, dass er und Madison sich gut verstehen könnten.
    »Und? Wie war die Party gestern?«
    Obwohl sie leise sprach, verstand er jedes Wort. Und das Seltsame war, dass jede Ironie darin fehlte. Und endlich fiel bei ihm der Groschen. Da unten stand gerade nicht die coole Madison, sondern ein Mädchen, das sich darüber Gedanken machte, ob er vielleicht Sally geküsst hatte.
    »Ganz ehrlich?«, antwortete er. »Ich habe den ganzen Abend überlegt, ob du mich für einen aufdringlichen Irren hältst, wenn ich dich schon wieder anrufe.«
    »Dann hast du mich also vermisst.« Es war eine Feststellung, keine Frage. Obwohl ein Stockwerk Entfernung zwischen ihnen lag, schienen sie sich näher zu sein als in der Schule, wo sie fast Schulter an Schulter vor dem Referat gesessen hatten.
    »Brauchst du das?« Sie hob das Klebeband hoch. Natürlich nickte er, obwohl er das Band nicht benötigte. »Kommst du runter oder soll ich es zu dir hochwerfen?«
    Wenn ich jetzt hinunterklettere, ist es vorbei . Dann taucht Aidan auf und Onkel Matt und wir verlieren uns in Höflichkeiten. Wir zerreden es und morgen wird sie das Gefühl haben, sie hätte sich eine

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