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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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über den Boden. Die größte Scherbe des Colaglases schaukelte ein paarmal hin und her und blieb dann genau zwischen seinen Füßen liegen.
    Ich drehe durch , war Jays erstaunlicherweise sehr sachlicher Gedanke. Wie mein Vater. Als Nächstes fange ich an, mit Kojoten zu sprechen, die nur ich sehen kann.
    Er hörte nicht auf die spöttischen Kommentare von den Nebentischen, sondern sammelte hastig die Scherben ein und legte sie auf das Tablett. Wenig später kam Madison mit zwei Colagläsern zurück und stellte ihm kommentarlos eines hin. »Danke«, sagte er leise.
    »Ist was? Du wirkst, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    Jay schluckte. Ja, ich sehe so was wie ein Elfenmädchen. Sie taucht auf und verschwindet. Und sie wirkt, als würde sie in einem Wald leben, den es in New York nicht gibt.
    Wirklich eine gute Methode, Madison schon vor ihrem ersten offiziellen Date zu vertreiben.
    »Alles okay«, antwortete er heiser.
    Aber immer noch verstörte ihn das Bild des Käfers, der im Wasser gezappelt hatte. Und Ivy? Es muss eine Erklärung geben! Egal welche, Hauptsache eine … andere.
    Madison musterte ihn immer noch besorgt.
    »Jenna und du, ihr seid befreundet?«, fragte er, um das Thema zu wechseln. »Neulich hast du gesagt, sie gehört nicht zu deiner Clique.«
    »In der Schule ist es etwas anderes. Wir kennen uns schon seit dem Kindergarten – sie wohnt direkt neben mir. Bist du fertig? Wir müssen zum Kurs.«
    »Gleich.« Misstrauisch betrachtete er die Cola. Kein Käfer. Trotzdem kostete es ihn Überwindung, das Getränk hinunterzustürzen. Es schmeckte ganz normal. Erleichtert stand er auf. Und dennoch hatte er plötzlich ein unangenehmes, kribbelndes Gefühl im Nacken. Bei der Tür warf er einen raschen Blick über die Schulter. Ivy war nicht da. Aber jetzt erkannte er, was sie betrachtet hatte, als sie auf der Suche nach einem Namen war. Auf dem Fensterbrett lag ein Efeublatt, das der Wind hereingeweht hatte. Ivy, dachte er. Efeu.
    *
    Am Rand des abgesteckten Trainingsfeldes türmten sich die Reste des Sturmes – Schutt und ein paar Äste. Nach den Schulstunden auf engstem Raum tat es unendlich gut, sich bewegen zu können. Die zwei Mannschaften waren vollzählig, wenn sich Jay auch darüber wunderte, dass sie keinerlei Ausrüstung hatten, weder Knieschoner noch Zahnschutz, nicht einmal einheitliche Shirts, wie er es von den Fotos anderer Austauschschüler kannte. Die gegnerische Mannschaft wirkte wie eine Vorstadtgang, die sich schon beim Training den Spaß machte, Alex und seine Leute anzurempeln und zu provozieren.
    »Behalte Pete gut im Auge«, sagte Alex zu Jay.
    Jay betrachtete mit einem mulmigen Gefühl den größten Spieler der Gegenmannschaft. Vage erinnerte er sich daran, dass auch Madison ihn schon vor ihm gewarnt hatte. Allerdings hatte sie dabei nicht erwähnt, dass Pete wie ein mutierter Bullterrier wirkte – nicht besonders groß, dafür aber circa zwei Meter breit. Und davon war jeder Zentimeter mit Muskelmasse bestückt.
    »Kennst du dich mit Football aus?« Alex hatte von irgendwoher einen Ball hervorgeholt. Er sah aus wie ein verbeulter, schlammgrüner Fußball, der deutlich zu wenig Luft hatte und definitiv kein Football war.
    »Ich … habe ein paar Spiele im Fernsehen gesehen«, antwortete Jay zögernd.
    Alex verzog den Mund zu einem verächtlichen Lächeln. »Vergiss das alles. Ich habe dir gesagt, bei uns wird richtig gespielt. Siehst du die Linie da drüben? Du musst den Ball hinter die Linie bringen. Wie du das machst, ist deine Sache.«
    »Keine Regeln?«
    »Beiß keinem ein Ohr ab«, meinte Alex trocken. »Aber pass trotzdem auf deine Ohren auf.«
    Er warf ihm den Ball zu und stieß einen scharfen Pfiff aus. Drei Sekunden später lag Jay mit blutender Nase im Schlamm und fluchte. Der Pulk balgte sich um ihn herum um den Ball. Er hörte wüstes Gebrüll und sah verzerrte Münder. Er rappelte sich auf und entdeckte die Zuschauer am Spielfeldrand. Spaziergänger, ein Hotdog-Verkäufer und eine Handvoll Mitschüler. Sie klatschten und feuerten die Teams begeistert an, als wäre das ein ganz normales Spiel und keine Mischung aus Wettlauf und Massenschlägerei.
    Was zum Teufel soll das?
    »Los, Jay!«
    Der Ball segelte ihm entgegen und er fing ihn noch im Liegen reflexartig auf. Was bedeutete, dass er nur noch eine Wahl hatte: Aufstehen und rennen – oder untergehen. Er sprang auf, zog den Kopf ein und stürzte los. Nur um nach zehn weiteren Metern auf Pete zu treffen.

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