Zweilicht
umgebracht, Jay. Wie wär’s mit einem Danke? Ich habe dich nämlich gerettet – und deinen dämlichen Feathers dazu.«
Jay schnappte nach Luft. »Herrgott, die waren angetrunken und hatten nicht mal eine Waffe. Mit den Kerlen wäre ich auch selbst fertig geworden.«
»Ach ja?« Sie trat so nah an ihn heran, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm in die Augen zu schauen. Sie war kleiner als Madison, ein wenig zierlicher – aber sie wirkte sehr durchtrainiert.
»Bitteschön!«, sagte sie gefährlich leise. »Dann pass eben auf dich selbst auf.«
Der Stoß gegen seine Brust war so kräftig und kam so überraschend schnell, dass Jay das Gleichgewicht verlor. Ein Fuß hakte sich um seinen Knöchel, als er sich abfangen wollte. Er stürzte auf die Straße – mitten vor ein Taxi, das auf ihn zuraste. Das war’s , dachte er erstaunlich sachlich, während er sich instinktiv zusammenkrümmte. Eindrücke huschten an ihm vorbei, als stünde er neben seinem Körper: Der Zebrastreifen, dessen weiße Streifen mit einer Spur von Blutstropfen von den verwundeten Schlägern gesprenkelt waren. Scheinwerfer, die ihn blendeten, ein verzweifeltes Hupen, Quietschen von Bremsen. Und dann Dunkelheit und völlige Stille.
Er schlug die Augen auf und sah nur Schwarz. Er blinzelte noch einmal und fand sich auf der Straße wieder ohne eine Ahnung, warum er noch lebte. Irgendwo links von ihm gab das Auto Gas und entfernte sich mit quietschenden Reifen.
Schwarze Bremsspuren kreuzten in einem abenteuerlichen Bogen den Zebrastreifen – nur zwei Handbreit von ihm entfernt. Jay kroch auf allen vieren zum Bordstein, am ganzen Körper zitternd. Aus dem Diner auf der anderen Straßenseite waren Leute getreten, angelockt vom Hupen und Bremsenquietschen.
»Jay!« In seinem Schock brauchte er eine Weile, bis er Aidan erkannte. Sein Cousin blickte nach rechts und links und rannte dann über die Straße, geschickt die Abstände zwischen den Autos ausnützend. Atemlos kam er bei Jay an und ging neben ihm in die Hocke.
»Geht’s dir gut?«
»Sieht es so aus? Nein! Sie hat mich vor das Taxi gestoßen! Sie wollte mich umbringen!«
Aidan sah sich ratlos um. »Wer?«
»Das Mädchen von neulich! Die in dem Strauch saß.«
Aidan sah ihn an, als würde er ernsthaft an seinem Verstand zweifeln.
»Was ist?«, fuhr Jay ihn an. »Frag die Leute vor der Kneipe! Drei Kerle hatten es auf Feathers abgesehen, und als ich dazwischenging, haben sie mich angegriffen.«
»Du hast dich wegen dem Hund geprügelt?«
»Ja, und sie hat sich eingemischt und dann …«
»Da war aber niemand.«
»Was?«
»Mein Kumpel hat es gesehen. Er sagte, du bist über den Bordstein gestolpert und gestürzt.« Als er Jays entgeisterte Miene sah, fügte er noch einmal überdeutlich hinzu: »Niemand hat dich gestoßen, Jay.«
»Ach ja? Und was ist mit den Schlägern? Sie hat zwei davon verletzt. Schau dir doch das ganze Blut an …« Er deutete auf den Zebrastreifen und verstummte. Die frischen Bremsspuren waren noch da. Aber das Blut war verschwunden.
Aidan versuchte sich an einem herablassenden Lächeln, das seine Sorge nur schlecht verbarg. »Du solltest echt die Finger von den Drogen lassen.«
Es sollte ein Scherz sein, aber Jays eisiger Blick brachte ihn zum Schweigen.
Jay sah an sich herunter. Déjà-vu. Schmutz klebte an seinen Klamotten, die Hose war über dem Knie zerrissen, aber das konnte auch beim Sturz auf die Straße passiert sein. Dasselbe galt für die blauen Flecken und die Rippenprellung, die nun wieder pochte. Er wehrte sich nicht, als Aidan ihm unter die Arme griff und ihn von der Straße hochzog.
»Na los. Auf nach Hause.«
Jays Beine fühlten sich immer noch an wie aus Gummi, aber er schüttelte den Kopf. »Das schaffe ich allein. Geh zurück zu Jenna und deinen Kumpels.«
»Vergiss es. Komm schon, spiel hier nicht die Diva.«
Aidan legte ihm den Arm um die Taille, als müsste er einen Verletzten stützen. Und seltsamerweise war es heute in Ordnung.
»Aidan?«
»Was denn noch?«
»Weißt du, was Mannahatta bedeutet?«
Sein Cousin stutzte, dann zog er beide Mundwinkel nach unten und zuckte ratlos mit den Schultern.
»Klingt wie Manhattan«, hakte Jay nach.
Aidan schien angestrengt zu überlegen, dann schüttelte er den Kopf. »Finde ich nicht. Komm, Feathers!«
Der Hund zögerte, aber als die beiden sich in Bewegung setzten, schlich er in weitem Abstand hinter ihnen her.
im netzt der jägerin
e r wollte nicht
Weitere Kostenlose Bücher