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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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schnappte.
    »Ich weiß, dass du Angst hast«, flüsterte Ivy ihr ins Ohr. »Ich habe auch Angst, mehr als du dir vorstellen kannst. Aber dieser Madison überlasse ich ihn ganz bestimmt nicht!«

wendigo-storys
    e r schreckte hoch, weil er das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen. Von draußen drang ein lang gezogenes, metallisches Kreischen herein und dröhnte in seinen Ohren. Und direkt neben ihm atmete ihm etwas schnaufend ins Ohr – Feathers war wohl nachts auf das Bett gekrochen. Er versuchte offenbar, sein Fremdeln der vergangenen Tage wieder wettzumachen. Was bedeutete: Er lag halb über Jay. Sein schwerer Kopf drückte mit vollem Gewicht auf sein Schlüsselbein. Ein unwilliges, müdes Knurren kam aus seiner Kehle, als Jay sich ihm entzog und zur Seite rutschte.
    »Krieg dich endlich wieder ein«, sagte Jay ebenso unfreundlich.
    Er setzte sich auf und schnappte nach Luft, aber die Panik und das Gefühl der Enge wurden nicht besser. Ein Rascheln erklang. Durch seine Bewegung war der Stapel Postkarten ins Rutschen geraten. Nun ergoss sich die schreiend bunte Kaskade auf den Boden. Langsam kehrte die Erinnerung an den gestrigen Abend zurück. Aidan hatte ihn nach Hause begleitet und ihn sogar noch bis zu seinem Zimmer gebracht. Wie Verschwörer hatten sie darauf geachtet, Matt nicht zu wecken, der sich in seinem Zimmer direkt neben der Werkstatt bereits hingelegt hatte. Kaum allein, hatte Jay die Postkarten seines Vaters aus dem Rucksack hervorgeholt und im Licht der Taschenlampe gelesen. Er erinnerte sich nicht, wann er dabei in seinen verdreckten Klamotten einfach eingeschlafen war.
    Aber auch ohne Uhrzeit konnte er sich denken, dass es spät war. Draußen war es bereits hell, also war es sicher schon neun. Mist, verschlafen.
    Erschöpft stützte er den Kopf in die Hände und betrachtete die grellen, nachcolorierten Postkartenmotive – viele aus Kanada, einige auch aus Arizona. Auf den Karten, die mit dem Bild nach unten auf dem Boden lagen, sprang ihm die fast unleserliche, fahrige Handschrift seines Vaters entgegen – wirre Botschaften mit vielen Schreibfehlern.
    Die Geister fressen uns bei lebendigem Leib, Sohn.
    Und immer wieder:
    Wirf dein Herz in die Morgenröte und spring.
    Das Codewort ist ERAE.
    Und W wie Wendigo.
    Ich warte, Sohn!!!
    Wie immer fühlte sich »Ich warte« an wie ein Schlag in die Magengrube. Und gleichzeitig war die Wut auf Charlie in ihrer ganzen Schärfe wieder da.
    Und was bedeutete ERAE ?
    Jay rieb sich die Augen. Vielleicht sollte er Madman fragen, was sein Vater damit gemeint haben könnte. Oder Ivy . Es war tatsächlich beängstigend, wie sehr ihr wirres Gerede ihn an die Worte seines Vaters erinnerte. Er hielt den Atem an und blickte mit einem mulmigen Gefühl zum Fenster. Aber natürlich war das lächerlich. Ivy saß nicht in dem Baum. Allerdings war das Geräusch immer noch da – ein Kreischen und Heulen wie ein Chor von Gequälten. Unterbrochen von einem seltsam hohlen Ton, der anschwoll und verebbte und Jay einen Schauer über den Rücken jagte.
    Es klopfte an der Tür, dann schwang sie auf. Sein Cousin lehnte lässig im Türrahmen. »Na? Ausgeschlafen?«, sagte er mit einem süffisanten Lächeln. »Du bist ja ganz schön ausgeknockt von gestern.«
    »Wie spät ist es?«
    »Zwei Uhr nachmittags.«
    »Was? Warum habt ihr mich nicht geweckt?«
    Aidan zuckte mit den Schultern. »Regel Nummer eins im Hause Callahan: Wir sind keine Babysitter. Für niemanden.«
    Jay hatte gute Lust zu fluchen. Plötzlich hatte er eine Stinkwut auf Aidan. Und vermutlich auch auf sich selbst. Warum bin ich nicht aufgewacht?
    Aidans Grinsen wurde noch breiter. »Deine Freundin will wissen, wo du abgeblieben bist. Du hast sie gestern also doch rumgekriegt. Respekt.«
    »Hat sie angerufen?«
    »Ich sag’s mal so: An deiner Stelle würde ich versuchen, mir zumindest den Schlamm von der Backe zu kratzen. Ich wette, wenn sie dich so sieht, überlegt sie es sich, ob sie dich noch mal ranlassen soll.«
    »Madison ist hier?«
    Aidan blickte über seine Schulter in Richtung Treppe. »Maddy? Willst du den Yeti sehen? Dann komm hoch!«
    »Mistkerl!«, zischte Jay. Er sprang aus dem Bett, zog ein frisches Shirt und seine Jeans aus dem Rucksack, dann stürzte er an Aidan vorbei aus dem Zimmer zum Bad. Das kalte Wasser weckte ihn endgültig auf. Er zerrte sich das schwarze Sweatshirt über den Kopf. Im halb blinden Spiegel blickte ihm ein erschreckend blasses Gesicht entgegen, in dem einige blaue

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