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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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mitkommen?«
    »Nein.« Sie schüttelte heftig den Kopf, noch atemlos vom langen Lauf durch die Nacht, und warf Speer und Netz auf den Haufen Felle. »Und ich musste abhauen. Es waren zu viele von den anderen da. Eine Weile musste ich mich sogar verstecken, bis ich über den Fluss konnte.« Der Speer rutschte durch den Schwung weiter und landete neben der roten Steinsäule. Die Klinge klapperte auf dem Marmorboden und lag dann still.
    »Aber du hast etwas über ihn erfahren?«, bohrte ihre Schwester weiter.
    »Allerdings! Dass er ganz anders ist, als ich dachte. Ziemlich arrogant und von sich überzeugt. Du hättest ihn hören sollen! Aber gut, immerhin können wir uns verständigen, obwohl er komisch redet. Er heißt Jay. Und ich habe ihm gesagt, ich heiße Ivy.« Mit Schwung ließ sie sich neben das Netz auf den Fellhaufen fallen und massierte die verkrampften Muskeln ihrer Beine. Das Blut pulste ihr immer noch heiß durch Schläfen und Wangen und ihre Lungen brannten. Noch nie hatte sie den Weg über den Fluss und durch die halbe Stadt so schnell bewältigt.
    »Du bist wütend, oder?«, fragte ihre Schwester zaghaft.
    »Und ob! Ich dachte, es sei viel einfacher.« Sie stieß einen Seufzer aus und starrte auf das flache Steinpodest in der Mitte des Raumes. Die Skelette einiger riesiger Raubechsen thronten darauf. Erstaunlicherweise hatten sie noch die meisten Knochen. Ihre Schwester und die anderen hatten bereits die magischen Schutzzeichen daran befestigt: Federn, Schnüre mit Rabenkrallen und Holzringen und Redwood-Zweige.
    »Und es ist sogar noch schlimmer, als ich dachte. Er nennt sie seine Freundin. Sie heißt Madison und kennt seinen Namen. Sie haben sich geküsst!«
    Ihre Schwester hielt erschrocken die Luft an. Im Mondlicht, das von oben durch ein Bogenfenster in die riesige Halle fiel, sah sie blass und fast ein wenig durchscheinend aus, was aber an dem seltsamen Schleierkleid lag, das sie trug. Nach einer Weile schluckte sie krampfhaft und fasste sich wieder. »Dann hast du schon verloren. Gegen ihren Bann kommst du nicht an. Ich hoffe, das Mädchen hat dich nicht gesehen?«
    »Nein, natürlich nicht. Aber trotzdem ist es für alle Fälle besser, wenn wir unsere Namen wechseln. Du nennst mich ab jetzt ebenfalls nur noch Ivy. Wir müssen alle Spuren verwischen.«
    Ihre Schwester zog die Beine an den Körper und schlang die Arme darum. »Gut … Ivy also. Und ich?«
    Ivy betrachtete sie nachdenklich. Seit sie sich das lange Haar abgeschnitten hatte, wirkte sie fast ein bisschen feenhaft. Verstärkt wurde der Eindruck durch das weiße Kleid. Der Stoff war zart und ein wenig vergilbt und er verströmte den zarten Duft von Geheimnissen und Vergangenheit. Der Schleierrock bauschte sich und erinnerte hier im Halbdunkel an eine Wolke.
    »Faye«, schlug Ivy vor. »Weil du in dem Kleid an die Feen aus den Märchen erinnerst.«
    »Du und deine Märchen aus der alten Welt. Gehöre ich zu den guten Feen oder den bösen?«
    »Die weißen sind immer gut. Wo hast du das Kleid gefunden?«
    »In einem Keller im Südteil der Stadt. Es lag ganz unten in einer Truhe. Ich würde zu gerne wissen, wem es gehört hat. Es sieht nicht so aus wie die üblichen Sachen.«
    »Sind die anderen noch auf Erkundungstour?«
    Faye schüttelte den Kopf. »Sie wollten nicht auf dich warten und schlafen schon. Da hinten ist eine Treppe, die nach unten führt. In dem ganzen Gebäude gibt es unzählige Kammern mit Knochen, Figuren und Gegenständen. Na ja – das ist ja für ein Museum nichts Ungewöhnliches. Wir haben auch ein sicheres Schlaflager für unsere dunkle Schönheit gefunden und … Halt! Wo willst du hin?«
    »Na zu den anderen. Ich muss mit ihnen sprechen.«
    »Jetzt? Hör zu, M…«
    »Scht! Wie heiße ich ab heute?«
    Faye schluckte. »Ivy.« Und sie wiederholte, als müsste sie es sich fest einprägen: »Du heißt Ivy.«
    Ivy nickte. Schon jetzt klang der neue Name sehr vertraut.
    Faye stand auf und machte ein paar Schritte in den Raum hinein. Ihr Rock umwallte sie bei jedem Schritt. Vor den Riesenechsen und den hohen Säulen, die die gewölbte Saaldecke trugen, sah sie winzig aus. »Erzähl’s dem Alten morgen, er braucht seinen Schlaf. Und du musst jetzt ohnehin hierbleiben, auch wenn du am liebsten zu dem Jungen zurücklaufen würdest, nicht wahr?«
    Ivy sank wieder auf das Lager zusammen und rieb sich die klammen Hände. Plötzlich war sie nur noch erschöpft und mutlos. Ihre Zähne klapperten vor Kälte. Nicht einmal das

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