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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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Lachen.
    Jay runzelte die Stirn. »Aha. Ich hätte eher einen holländischen Namen erwartet.«
    »Ich bin New Yorkerin!«, erwiderte sie würdevoll. »Keine weiteren Fragen mehr? Ich weiß wirklich viel!« Das klang so bang und hoffnungsvoll, dass Jay seltsam berührt war. Irgendwie mochte er sie – und sie kam ihm mit ihrem zerbrechlichen Stolz gar nicht mehr so verrückt vor. Vielleicht ist sie nur einsam und das ist ihre Art, sich mit Menschen zu unterhalten?
    »Mannahatta?«, fragte er. »Kennst du das?«
    Sie begann auf der Stelle so sehr zu strahlen, dass sie trotz der Fältchen um ihre Augen wie ein junges Mädchen wirkte. »Das Herz unserer Stadt! Die Stadtinsel wurde bis ins 17. Jahrhundert von Alonquin-Indianern bewohnt. Sie nannten sie ›Manna-hatta‹ – Land der vielen Hügel. Im Jahre 1626 kaufte ihnen der Gouverneur der holländischen Siedlung die Insel für ein paar Glasperlen, Messer und Beile im Wert von rund 60 Gulden ab.«
    Glasperlen! Wenn er bis jetzt noch unsicher gewesen war, jetzt begann sich alles zu einem Bild zu fügen. Er war tatsächlich auf dem richtigen Weg. Ivy trug Glasperlenketten. Und offenbar versuchte sie auch, sich indianisch zu kleiden.
    »Danke!«, sagte er aus vollem Herzen.
    Liberty deutete einen altmodischen Knicks an. »Gern geschehen.«
    Sie wollte kehrtmachen, doch dann erstarrte sie – und sprang mit einem schrillen Schrei zur Seite. Im selben Moment traf ihn ein Stoß in die Seite. Jay stürzte, Asphalt schrubbte über seine Schulter. Eine Sekunde später krachte direkt vor der Haltestelle etwas auf den Boden. Nur aus dem Augenwinkel erkannte Jay, dass es eine Ampel war. Das Stahlseil, an dem sie aufgehängt gewesen war, war abgerissen und hing lose auf die Straße. Leute schrien auf und brachten sich in Sicherheit. Autos stoppten mit quietschenden Bremsen. Ein Verkehrspolizist pfiff sich die Lunge aus dem Leib. Niemand beachtete Jay, der auf dem Bürgersteig lag und nach Luft schnappte. Und irgendjemand … lag mit vollem Gewicht auf ihm. Kaninchenfell kitzelte seine Wange.
    »Hoppla«, sagte Ivy. »Und jetzt behaupte noch mal, du kannst selbst auf dich aufpassen! Die hätte dich ja glatt erschlagen können.« Blitzschnell wand sie sich aus seinen Armen und sprang auf.
    »Willst du die hier zurück?« Sie hob die Faust vors Gesicht. Eine Bewegung ihres Zeigefingers und die Kette fiel heraus und baumelte vor seiner Nase hin und her. Er versuchte, sie zu schnappen, aber Ivy war schneller und sprang zurück. »Wenn du sie haben willst, hol sie dir!«
    Dann fegte sie schon davon. Der Zorn auf sie war so plötzlich wieder da, als hätte er ein Licht angeknipst. Er spürte nicht einmal den Schmerz der Prellungen. Fluchend rappelte er sich auf und nahm die Verfolgung auf. Was gar nicht so einfach war. Ivy schlug Haken und hangelte sich wie ein Parkour-Akrobat über Mauern, lief einfach über eine Motorhaube und rannte dann eine Straße entlang. Erst auf gerader Strecke gelang es ihm, sie beinahe einzuholen. Aber gleich würde sie die Straßenecke erreichen. Im Rennen schnappte er sich ein zerrissenes Plastikschild, das neben einem Haufen schwarzer Müllsäcke am Straßenrand lag, und schleuderte es ihr unter die Beine. Sie stolperte und fiel. Etwas klirrte, dann rollte sich Ivy geschickt ab und kam wieder auf die Beine. Noch im Schwung kletterte sie auf eine Mauer, knapp außerhalb seiner Reichweite. Schwer atmend blickte sie auf ihn herunter. Immerhin, so stellte er mit Genugtuung fest, war sie vor Schreck blass geworden. Das klirrende Ding, das ihr wohl aus der Tasche gefallen war, lag direkt vor Jays Füßen – es war ein goldenes Armband, das mit Edelsteinen besetzt war.
    »Ich bin wohl nicht der Einzige, den du bestiehlst«, keuchte Jay. »Wo hast du das her?«
    »Ach das. Gefunden.«
    »Wo?«
    Sie machte eine vage Geste, die die gesamte Gegend einschloss. »Hier und da – in den Häusern. Überall.«
    »Du stiehlst!«
    Ihre Mundwinkel zuckten. Sie musste sich offenbar mühsam das Lachen verbeißen. »Was sollte ich hier schon stehlen?«
    Jay betrachtete das Armband genauer. Jeder sah, dass das kein Modeschmuck war, dafür funkelten die transparenten Edelsteine viel zu sehr. Das hier sah eher nach den Juwelierläden aus, wo echte Brillanten an Verlobungsringen blitzten.
    »Klar«, sagte er trocken. »Nichts zu holen in dieser Stadt. Immerhin weiß ich jetzt, dass du kein Geist bist. Nur eine ganz gewöhnliche Diebin.«
    » Wie nennst du mich?«
    »Du hast

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