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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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sein? Spätestens jetzt wehrte sich wieder alles in ihm dagegen, auch nur ein Wort von dem zu glauben, was sie erzählte.
    »Hör zu, Jay. Ich habe keine Zeit, es dir zu erklären. Aber du musst mir glauben: Du gehörst zu mir, in meine Welt!« Sie verhaspelte sich, so schnell sprach sie nun. »Robin wartet auf dich – da drüben, in Mannahatta.«
    »Jay?«, ertönte eine tiefe, leicht heisere Stimme in der Nähe. »Bist du hier?«
    Ivy wurde noch blasser und sah sich gehetzt um. »Wer ist das?«
    »Mein Onkel.«
    »Verdammt, die bewachen dich ja wirklich gut.« Sie wandte sich von ihm ab und spähte durch eine Lücke zwischen den Tonnen.
    Jay wagte ebenfalls einen Blick. Nie hätte er gedacht, dass sein beleibter Onkel tatsächlich noch Motorrad fuhr – aber am Rand der Straße war Matt, eingezwängt in eine riesige Lederjacke, die ihm trotzdem viel zu eng war. Das Motorrad lag tief unter seinem Gewicht. Matt hatte den Helm abgenommen und blickte sich suchend um. Feathers tauchte direkt neben Jay auf, witterte kurz und trabte zum Hotdogstand. Der Verkäufer versuchte ihn wegzuscheuchen. Offenbar sieht uns jetzt wirklich keiner .
    Ein leises Klicken ertönte neben ihm. Er sah zu Ivy – und bekam den Schock seines Lebens. Sie war immer noch halb durchsichtig. Aber die Pistole in ihren Händen war erschreckend real. Sie zielte durch die Lücke. Auf Matt! Jay schnellte vor und riss sie im Sprung zu Boden. Seine Finger gruben sich in ihr Handgelenk. Im nächsten Moment flog die Waffe in hohem Bogen durch die Luft, drehte sich im fahlen Glanz der Regensonne um sich selbst – und landete fast ohne ein Geräusch im Fluss. Feathers bellte auf und stürmte zum Wasser.
    Ivy machte sich grob von ihm los und sprang zurück.
    »Was sollte das?«, zischte Jay.
    »Er ist gefährlich«, erwiderte Ivy leise. »Wenn er mich sieht, dann tötet er mich.«
    Matt ist gefährlich? Aber offenbar meinte sie es todernst. Sie kauerte vor ihm, in der angespannten Haltung eines Raubtiers, das bereit zum Sprung war. Hey, Mann, du bist in Amerika!, höhnte eine irre Stimme in seinem Kopf. Hier schießen die Elfen nicht mit niedlichen Pfeilen aus Elfenbein. Amerika-Elfen tragen Knarren!
    Aber das Komische war, dass er nicht wusste, wer gerade mehr Angst hatte: Ivy oder er. Ihre Augen waren riesengroß und die Furcht darin strahlte so deutlich wie eine schmerzhaft grelle Sonne.
    »Du bist in Gefahr«, wisperte sie mit erstickter Stimme.
    Die einzige Gefahr hier bist du, dachte er . Die Herzen auf dem Forever-Baum fielen ihm wieder ein. Der blutige Speer … Ich muss Madison vor ihr beschützen!
    Ihre Augen begannen mit den Wellen zu verschwimmen. »Wenn du hierbleibst, verlierst du mich für immer – mich, deinen Vater und Mannahatta. Wendigo wird dich zerreißen und dein Herz verschlingen. Verlass Madison, hörst du? Sag ihr nicht, dass du sie liebst …« Ihre verzweifelte Stimme verhallte, je mehr sie verblasste.
    Beim nächsten Blinzeln war sie unsichtbar geworden. Nur der magische Kreis aus Samen zeugte noch von ihrem Gespräch. Jay schnellte hoch und sprang aus dem Kreis, als müsste er sich retten. Ein scharfes, kurzes Bellen riss ihn endgültig in die Wirklichkeit zurück. Feathers stürzte auf ihn zu und versuchte, ihm ungestüm das Gesicht abzulecken. Heute wehrte Jay ihn nicht ab.
    »Also habe ich doch richtig gesehen!«, rief Onkel Matt und gab Gas. Als er neben Jay bremste, hellte sich seine Miene kurz auf, aber dann flog ein Schatten über sein Gesicht. Missmutig zupfte er an seinen Lederhandschuhen herum. »Was hast du hier draußen verloren?«
    »Ich … war joggen.«
    »Den ganzen Nachmittag? Es ist gleich sechs!«
    Ich war über drei Stunden weg?
    Die Geschichten von den Elfen, die die Menschen in ihr geheimes Reich lockten, kamen ihm in den Sinn. In der Elfenwelt verging eine Stunde – in der Menschenwelt dagegen Jahre. Er glaubte immer noch, Ivys süßen Schneekuss auf den Lippen zu spüren und den dunklen Glanz der Waffe zu sehen.
    »Ich will nicht, dass du abhaust, ohne Aidan oder mir Bescheid zu sagen«, fuhr Matt ihn an. »Ich habe immer noch die Verantwortung für dich, klar? Und außerdem gibt es zu Hause genug zu tun. Die Heizung ist endgültig hinüber, ich war gerade dabei, ein Ersatzteil zu besorgen.« Er warf ihm den Motorradhelm zu. »Los, steig auf!«
    »Hast du mich gesucht?«
    Matt schüttelte den Kopf. »Ich habe Besseres zu tun. Feathers ist ausgebüxt, hab ihn zufällig gesehen. Er war dir wohl auf

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