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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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mich belogen!«, stieß er hervor. »Du hast noch nie etwas von Robin gehört! Du hast den Namen gelesen und so getan, als hätte mein Vater dich zu mir geschickt.«
    Ivys Augen wurden schmal. »Na und? Ich bin ein Trickster. Und wie du siehst, kein schlechter. Schließlich bist du hier.«
    » Wo bin ich hier?«, schrie Jay. »Und warum soll mein Onkel tot sein?« Und Charlie? Der Gedanke traf ihn wie ein Schlag. Neben ihm raschelte es. Liberty hatte sich neben ihm niedergelassen und zupfte nervös an ihrem Rock.
    Ivy wollte etwas erwidern, aber Faye brachte sie mit einer strengen Geste zum Schweigen. »Du hast … sehr lange geschlafen, Jay.«
    »Wie lange?«
    Faye leckte sich über die Lippen. »Welches Jahr haben wir?«
    »2012«, antwortete er.
    »2113«, sagte Liberty im selben Atemzug. Er sah sie fassungslos an. Sie lächelte in zaghaftem Bedauern und zuckte mit den Schultern. »Schluss jetzt, Faye«, kam es barsch von Columbus. »Und du auch, Ivy, hört auf, um ihn herumzutanzen wie eine Elster um den Silberbecher. Wenn ihn die Trugwelt nicht umgebracht hat, wird er die Wahrheit auch verkraften.« Er trat direkt vor Jay und beugte sich so weit herunter, dass er ihm direkt in die Augen sehen konnte.
    »Wenn unser Kalender stimmt, haben wir das Jahr 2113. Wie lange du geschlafen hast, kannst du dir ja selbst ausrechnen.«
    Jay schüttelte heftig den Kopf. Hilfe suchend blickte er nach rechts, aber Liberty hatte sich aus dem Staub gemacht. »Ich … verstehe kein Wort«, stammelte er, obwohl irgendetwas in ihm sehr wohl verstand. Der ständige Stromausfall, die U-Bahnen, die angeblich vom Sturm verwüstete Stadt …
    Columbus seufzte und richtete sich auf. »Tja, dann sieh es dir mal am besten selbst an.«
    *
    Noch nie hatte Jay sich so schwach gefühlt, aber er folgte dem Expeditor, tastete sich mit zittrigen Knien über staubige, dunkle Treppen nach unten. Es waren Lagerhallen, so viel konnte er im Schein der Fackel erkennen, die Columbus vor ihm hertrug. Viele Kisten und Metallschränke waren aufgebrochen, und es roch säuerlich und dumpf nach Altertum und Moder.
    »Das Schlimmste ist der Schimmel«, rief Columbus über die Schulter zurück und hustete dumpf. »Er kriecht in alle Ritzen. Papier und Bücher hat er schon vor vielen Jahrzehnten endgültig erledigt. Und wenn wir zu lange hierbleiben, macht er dasselbe mit unseren Lungen.«
    Mit diesen Worten stieß er mit einem Tritt eine Metalltür auf. Verblasstes Gold glänzte auf, als Columbus mit der Fackel einige Kerzen ansteckte. Jay prallte zurück. Es war wirklich eine Expedition – und zwar in eine ägyptische Grabkammer. Vor ihm, in der Mitte des Raumes, thronte auf zwei Tischen ein Sarkophag. Columbus stieß die Fackelspitze in einen Eimer mit Sand, um die Flamme zu löschen.
    »Hilf mir mal!«, sagte er barsch und machte sich an dem Sarkophagdeckel zu schaffen. Jay zögerte, aber dann packte er mit der rechten Hand zu. Polternd kam der Deckel auf dem Boden auf. Und Jay sah in das Gesicht einer dunkelhäutigen, reglosen Frau. Sie war in eine Decke gehüllt, schwarzes Haar umrahmte ihr unbewegtes Gesicht. Sie mochte dreißig sein, vielleicht auch ein paar Jahre älter und sah der Schauspielerin Zoe Saldana verblüffend ähnlich. Jay trat zurück, bis er an einen der Tische stieß, auf dem Zeichnungen, vergilbte Karten und bemalte Lederstücke lagen. »Ist sie tot?«
    »So ähnlich«, erwiderte Columbus trocken. »Sie schläft, atmet kaum, wird nicht älter und nichts kann sie wecken. Aber sie träumt, siehst du?«
    Mit einem Schaudern erkannte Jay, dass die Augen unter den Lidern der Frau sich tatsächlich zuckend bewegten, als wäre sie in einem Traum gefangen.
    »Ivy nennt sie Dornröschen. Wir haben diese Schönheit bei einem Erkundungsgang gefunden.«
    »Warum liegt sie in einem Sarkophag?«
    Columbus’ Brauen zuckten nach oben. Zum ersten Mal blitzte echtes Interesse in seinen Augen auf. »Sarkophag nennt man das? Interessant. Vielleicht bist du ja doch zu was gut. Wir wissen nämlich nur noch wenig über dein Zeitalter und die Abende im Winterlager sind lang genug. Da können wir einen guten Geschichtenerzähler gebrauchen. Tja, den Sarkophag haben wir aus dem Museum. Es lag eine vertrocknete Leiche drin, die habe ich weggeworfen. Jetzt ist er eine gute Transportkiste, in der wir die Frau über den Fluss bringen können. Auch wenn sie uns nichts nützt, ist sie ja doch eine Kostbarkeit, ein Artefakt. Es ist selten genug, dass man auf einen

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