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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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Blöderweise habe ich ihn so gut erwischt, dass er sofort zu Boden ging.«
    Er zuckte zusammen, als Columbus in Gelächter ausbrach.
    »Was ist daran so komisch?«, brauste Jay auf. »Es war falsch, aber deswegen bin ich noch lange kein Schläger und nichts wert.«
    »Ob das richtig oder falsch war, musst du schon selbst entscheiden.« Columbus erhob sich und schulterte das kleinere Bündel. »Ich kann dir nur zwei Dinge dazu sagen. Was deine Mutter getan hat, war nicht in Ordnung, und offenbar war sie in den Kerl verliebt und hat deinem Vater nie verziehen. Menschen, die verliebt oder nachtragend sind, machen Fehler und sehen oft nicht mehr das Wirkliche und das Wesentliche. Das Schlimmere ist, dass du insgeheim wohl selbst geglaubt hast, die beiden könnten recht haben, sonst hätte es dir wohl kaum so viel ausgemacht. Und zweitens«, seine Augen funkelten diebisch auf, »du kannst mich ja gern für einen Rüpel halten, aber diesem Kerl hätte ich liebend gerne auch eine verpasst.«

die gespenster new yorks
    d er Sturm hatte aufgehört und am Nachmittag kam eine helle Oktobersonne hervor, die sogar ihren Weg durch die verkrusteten Fenster des Museums fand. Jay zurrte das letzte Seil fest, richtete sich auf und streckte sich. Er sah sich nach Liberty um, aber heute war er allein mit Faye. Gerade breitete sie eine weitere Decke über den Sarkophag und stopfte sie an den Seiten sorgfältig fest, damit die Schlafende beim Transport gut geschützt war. Leise sang sie ein isländisches Lied vor sich hin, ordnete mit liebevoller Geste noch Dornröschens Haar und strich der Frau über die Stirn. Seit sie wussten, dass die Boote unterwegs waren, strahlte sie vor Erleichterung und Vorfreude. »Irgendwie mag ich unsere Schlafende«, sagte sie gut gelaunt zu Jay. »Und sie hat wirklich schönes Haar.« Bedauernd fuhr sie mit der Hand durch ihre eigenen kurzen Strähnen. »Meines war auch einmal so lang.«
    »Warum hast du es abgeschnitten?«
    Es war immer schwierig, aus Fayes sanften Zügen wirklich eine Regung abzulesen, aber er bildete sich ein, dass nun trotz des Lächelns ein Schatten darüberhuschte. Sie winkte ab. »Nur ein Ritual. Das Haar wird wieder wachsen. Holst du mir noch den Sarkophagdeckel von unten?«
    Auf der Treppe wäre er fast Ivy in die Quere gekommen. Sie prallten beide zurück wie Magneten, die sich abstießen. Ein paar Sekunden herrschte nur angespanntes Schweigen.
    »Hallo, Jay«, sagte Ivy dann kühl. »Und schönen Tag noch.«
    Sie wollte schon an ihm vorbeilaufen, aber er nahm seinen ganzen Mut zusammen und machte beiläufig einen Schritt zur Seite. Jetzt standen sie sich gegenüber, und er kannte Ivy inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie nicht nachgeben und einfach ausweichen würde. »Wohin gehst du?«
    »Raus«, sagte sie knapp.
    »Kann ich … mitkommen?«
    Sie verschränkte die Arme und hob das Kinn, und obwohl sie eine Stufe unter ihm stand, schien sie auf ihn herabzublicken. Was hat sie gegen mich? , dachte er verärgert. Sie mochte ihn, aber je näher sie sich kamen, desto mehr wirkte sie wie eine Katze, die ihr Fell sträubt.
    »Natürlich nimmt sie dich mit!«, rief Faye aus der Halle. »Es ist schließlich die letzte Gelegenheit, ein bisschen Sonne zu sehen.«
    Ivy warf ihrer Schwester einen Blick zu, der Glas hätte schneiden können. »Kannst du denn schon wieder klettern? Ich muss zu einem Aussichtspunkt. Und das Gebiet liegt am Rand der gesicherten Pfade, das ist auch bei Tageslicht nicht ganz ungefährlich.«
    »Hältst du mich für feige?«
    Endlich, nach einigen langen Sekunden, in denen sie noch unschlüssig wirkte, rang sie sich ein Lächeln ab. »Na schön, aber beschwer dich nicht, wenn dein Arm nachher wehtut.«
    Ivys Weg führte ein Stück nach Südwesten, dann tauchten sie in das Dämmerlicht schattiger Hohlwege ein. Teppiche von nassen Herbstblättern, die der Sturm von den Bäumen gerissen hatte, federten unter ihren Sohlen. Atemwolken bauschten sich in der kalten Herbstluft. Vor einem Hochhaus blieb Ivy stehen. Verkehr hätte hier rauschen, die Werbetafeln farbige Lichtreflexe auf Scheiben werfen müssen. Doch es war still. Nur die Götterbäume wisperten in einer Brise und irgendwo bellte ein Fuchs.
    »Hier müssen wir rein«, raunte Ivy ihm zu und deutete auf einen Spalt in einer Wand aus verdorrtem Giftefeu.
    »He, Blondi! Hallo, Romeo.«
    Sie fuhren herum. Madman lehnte lässig an einem umrankten Stahltor, die Hände in den Hosentaschen, ein süffisantes

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