Zweimal Hölle und zurück (German Edition)
die Gabe nicht wieder nehmen, deshalb veränderte er sie. Sie konnte zwar die Zukunft vorhersehen, aber niemand schenkte ihren Prophezeiungen Glauben … bis es zu spät war.«
Ohhhhh. Von dieser Kassandra war die Rede. Genau. »Was für eine rührende Geschichte! Die einen so gar nicht deprimiert. Danke, dass du sie mir erzählt hast!«
»Ich bin noch nicht fertig, du Rotznase! Ich will auf Folgendes hinaus: Im Grunde ist Apolls Entscheidung doch etwas Positives. Denn ich finde, dass wir nicht zu viel über die Zukunft wissen sollten, und schon gar nicht über unsere eigene.«
»Tja, mit der Ansicht stehst du nicht allein da.«
»Ach, tatsächlich?« Mom wirkte sehr überrascht. »Das ist ja merkwürdig. Ich dachte immer, dein Ehemann würde …«
»Ich hab eigentlich eher an Laura gedacht.«
»Ja, gerade wollte ich dich nach ihr fragen. Wie hat es ihr denn in der Hölle gefallen?«
»Sehr gut«, erwiderte ich trübsinnig. »In der Hölle besitzt sie Flügel. Hübsche, große, braune Flügel. Und als sie ihre Fähigkeiten austestete, anstatt Angst vor ihnen zu haben, hat sie Dinge vollbracht, die ich nur Gott zugetraut hätte. Was ist, wenn sie ihre unheimlichen Kräfte erst richtig einsetzen kann?«
»Vielleicht solltest du im Buch nachschauen.«
»Geht nicht. Laura hat es geklaut und versteckt.«
»Sie hat was ?«, krächzte Mom.
Ich musste grinsen. Genauso hatte ich auch reagiert. »Yep. Und sie weigert sich, es wieder rauszurücken. Sie sagt, es stünden Dinge daran, die ich nicht wissen dürfte, und wenn es Probleme geben sollte, wäre sie mächtig genug, um mit ihnen fertigzuwerden, und wenn sie es nicht könnte, dann ihre Mutter. Als hätte ich ein Interesse daran, Satan noch stärker in mein Leben einzubeziehen! Oder in Lauras Leben.«
»Hm. Das ist doch sehr merkwürdig, nicht wahr?«
»Merkwürdig psychotisch, merkwürdig unerträglich oder so merkwürdig, dass ich sie festnehmen sollte?«
»Während eures Ausflugs in die Unterwelt war ihr klar, dass du nach eurer Rückkehr über eine neue Fähigkeit verfügen würdest?«
»Natürlich.«
»Ihr beendet eure Reise durch die Zeit. Sie hilft dir, nach Hause zu kommen, und geht dann … wohin?«
»Sie kann nur von der Hölle aus zu verschiedenen Orten und in verschiedene Zeiten teleportieren. Sie geht in die Hölle und von dort woanders hin. Sie kann aber nicht von deinem Wohnzimmer oder meiner Küche aus teleportieren. Die Hölle ist … so etwas wie ein Busbahnhof, wo Laura die Fahrkarte kauft, die sie benötigt, um zu ihrer Bestimmung zu gelangen.«
»Wie poetisch!«
Ich seufzte. »Du bist die schlimmste Mutter in der Geschichte aller Mütter.«
»Nein, diese Auszeichnung steht Medea zu. Und Diane Downs, die ihre drei Kinder umbrachte.« Mutter war ein Fan des True-Crime-Genres à la Ann Rule. »Muss ich daher annehmen, dass du nicht weißt, wohin sie gegangen ist, nachdem sie dich abgesetzt hatte?«
»Ich habe ein paar Überlegungen angestellt, doch sicher weiß ich es nicht.«
»Aber später hast du sie angerufen und sie gebeten, zu dir zu kommen?«
»Ja.« Ich hatte keinen Schimmer, worauf Mom hinauswollte. Sie wusste jetzt, was ich wusste, doch worin bestand der Sinn, die Ereignisse erneut herunterzuleiern?
»Irgendetwas ist zwischen eurer Rückkehr aus der Hölle und der Fahrt zu dir passiert. Urplötzlich ist sie der Meinung, du solltest das Buch nicht mehr haben und schon gar nicht mehr lesen. Das nenne ich merkwürdig.«
»Du meinst also …« Äh. Nö. Ich hatte es immer noch nicht geschnallt.
Mom hatte Mitleid mit ihrer begriffsstutzigen Tochter. »Sie hat etwas herausgefunden. Oder gehört. Und was es auch war, es hat ihre Einstellung zu dem Buch vollkommen verändert.«
Ich brauchte eine weitere Minute, um zu begreifen, aber als es so weit war, kam es mir vor, als wäre mein Gehirn unversehens schwerer geworden.
»Heilige Scheiße!«, kreischte ich. Ich war so erschrocken, dass ich nicht einmal spürte, wie Moms Löffel wieder auf meine Fingerknöchel schlug.
»Ich bitte dich.« Peng! »Ein wenig Anstand!«
»Der Teufel muss ihr etwas gesteckt haben!« Ich hielt eine Hand hoch, um Mutter am Reden zu hindern. »Nein, sie hat nichts herausgefunden . Der Teufel hat ihr irgendetwas richtig Saftiges erzählt, und Laura … oh, dieses Miststück! Oh Gott! Mom, du bist ein Genie!«
»Nein, ich denke bloß logisch.«
»Ich muss los. Hätte schon vor zehn Minuten fahren sollen.«
»Sei ja vorsichtig!«
»Das versuch ich
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