Zweimal Hölle und zurück (German Edition)
ja. Sinclair ist doch in meiner Nähe. Das heißt, im Augenblick nicht, aber daran bin ich schuld und nicht er.« Sinclair. Verdammt. Ich schaute auf meine Uhr. »Ich hab gesagt, ich wäre in einer Stunde zurück, und weil ich Clive über den Rasen geschleudert habe, habe ich wertvolle Zeit verschleudert, in der ich mehr Eimer-Daiquiri hätte essen können. Muss los, muss los.«
Ich stand auf. Wir kämpften einen Augenblick um den fast leeren Eimer, dann überließ ich ihn Mom. Es klebten ohnehin nur noch ein paar Reste am Boden. »Denk dran, was ich dir gesagt habe: immer ein Kreuz tragen. Keine Ausflüge mit Marc. Und, Mom … Stell dir nachts die geladene Schrotflinte ins Schlafzimmer.« Meine Mutter hatte mich schon als Kind auf die Jagd mitgenommen; sie war eine der besten Schützinnen Minnesotas. »Und zwar jede Nacht, bis ich rausgekriegt habe, was geschehen wird. Oder jemand anders es für mich rausfindet.« Das schien ja immer wieder gut zu funktionieren. Ich beschwerte mich nicht.
»Und du denkst über das nach, was ich gesagt habe, Elizabeth. Mir will keine einzige Sage, kein einziger Film einfallen, in dem die Zukunft enthüllt wurde und die Helden es nicht bedauert hätten. Vielleicht hat Laura ja genau das Richtige getan.«
»Verräterin.«
Ein besonderer Charakterzug von Mom ist, dass sie durch absolut nichts aus der Fassung zu bringen ist. Als ich von den Toten zurückkehrte, waren ihr die Details vollkommen gleichgültig. Als ich ihr gestand, nun ein Vampir zu sein, freute sie sich, denn es bedeutete, dass ich niemals eines banalen, vermeidbaren Todes sterben würde (wie zum Beispiel von einem Pontiac Aztek überfahren zu werden).
Nun hatte ich ihr gerade von einem Trip zur Hölle und in die Vergangenheit berichtet und sie vor einem Mann gewarnt, den sie mochte und dem sie vertraute. Ich hatte ihr erzählt, dass ein unschätzbares Artefakt in den Händen des Antichristen sei und dass ich mein Bestes tun würde, um dem Teufel möglichst bald auf die Zehen zu treten. Und alles, was sie dazu sagte, war so etwas wie: Pass gut auf dich auf und halt mich auf dem Laufenden! Bye.
»Willst du noch einen Blick auf den Kleinen werfen, bevor du fährst?«
Nur zu gern. »Lieber nicht. Ich bin sowieso schon kurz davor, ihn einzupacken und mitzunehmen.« Außerdem hätte ich Mom liebend gern erzählt, was aus Baby Jon einmal werden würde: ein Prachtbild von einem Mann, vielleicht sogar eine Art Superheld, schließlich lief er ja noch in tausend Jahren quicklebendig umher. Doch ich hielt meine Zunge ein zweites Mal im Zaum. Moms Ermahnung, dass es vielleicht gar nicht so gut sei, die Zukunft zu kennen, hatte mich tief beeindruckt. Sie hatte ohne viele Worte ihre Einstellung dazu deutlich gemacht. »Drück ihn ganz feste von mir!«
Mom lächelte, als sie ebenfalls aufstand und ich mich zu ihr hinabbeugte – sie ist eben nur eine kleine Krabbe mit Lockenhaar –, damit sie mir einen Kuss auf die Wange geben konnte. »Das gehört zum Elternsein dazu. Wenn man tut, was für die Kleinen das Beste ist, anstatt den eigenen Wünschen zu folgen.«
»Wenn das so ist, dann finde ich Elternsein zum Kotzen.«
Sie schnaubte. »Wem sagst du das?« Dann winkte sie. Mom winkt immer, wenn ich sie verlasse, bis sie mich nicht mehr sehen kann.
Es war alles so verrückt. Ich hatte nichts ausgerichtet, und ich hatte ihr auch keine vernünftigen Erklärungen geben können. Stattdessen würde ich vermutlich jahrelang Albträume haben, die sich um Clive und unseren Vorgarten-Nahkampf drehten. Dennoch ging es mir wesentlich besser.
Ich schätze, selbst Vampirköniginnen brauchen ab und zu ihre Mom.
35
Zähneknirschend simste ich Sinclair, dass ich mich nun auf den Rückweg machen würde. Ich hasste dieses verfluchte Simsen. Nicht nur, dass es saugefährlich ist, wenn man am Steuer sitzt, es ist auch unanständig (»Wenn du das jetzt nicht sofort weglegst, mach ich aus deinem Handy ein Zäpfchen«) und unterbricht jegliche Kommunikation (»Darling, willst du mir die Ehre erweisen, mein … Warte mal, ich bekomme gerade eine SMS von meiner Hundefriseurin … Nein! Jetzt guck dir nur mal das Foto an, das sie mir geschickt hat! Mitzy ist ein Pudel, kein Dackel! Weißt du, wie lange das dauern kann, bis ihr Fell wieder nachgewachsen ist? Kannst du dir das vorstellen?«). Aber es wäre hundsgemein gewesen, Sinclair in Angst um mich schweben zu lassen. Also beging ich die schmutzige, schmutzige Tat, dann ließ ich den Motor an und
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